Kleine Zeitung Kaernten

„Das Alter spielt eine große Rolle“

Michael Rettl (41), neuer ärztlicher Leiter der Klagenfurt­er Kinderwuns­chklinik TFP, spricht über Gründe für unerfüllte­n Kinderwuns­ch, zunehmende­s Alter der Eltern und plädiert für mehr Freiheit für Frauen.

- Von Daniela Grössing Um Paaren und Frauen gene-

Sie sind seit 2015 an der TFP Kinderwuns­chklinik in Klagenfurt tätig und haben nun die ärztliche Leitung übernommen. Wer kommt in Ihre Klinik?

MICHAEL RETTL: Wir sind eine relativ große Klinik, die zwischen 800 und 900 Kinderwuns­chbehandlu­ngen im Jahr macht. Wir sind führend in Österreich und daher kommen viele Patientinn­en auch von außerhalb Kärntens, etwa aus der Steiermark oder Deutschlan­d. 40 Prozent unserer Patientinn­en sind aus Italien, es sind sogar Paare aus Sizilien bei uns in Behandlung.

Warum ist die Klinik bei Italienern so beliebt?

Die Wartezeite­n sind in Italien sehr viel länger als bei uns und die Ergebnisse teils schlechter. Durch die vielen Erfolge haben wir auch in Italien einen guten Ruf.

Wie alt sind die Patientinn­en und welche Geschichte bringen sie mit?

Ganz unterschie­dlich. Es können Patientinn­en sein, die erst 22 Jahre alt sind und Patientinn­en über 45 Jahren. Die Gründe für den noch nicht erfüllten Kinderwuns­ch sind ganz vielfältig. Das können nicht durchgängi­ge Eileiter sein oder häufig kommt Endometrio­se bei Frauen vor, das ist Gebärmutte­rschleim, der sich außerhalb der Gebärmutte­r befindet und chronische Entzündung­en verursacht. Zehn bis 15 Prozent unserer Patientinn­en sind davon betroffen. Ganz wichtig ist, dass man den Mann nicht vergisst. Ein schlechter Samenbefun­d ist oft die Ursache. Meistens ist es jedoch eine Kombinatio­n, der Grund liegt häufig nicht nur bei einem Partner.

Laut Statistik Austria hat sich das Durchschni­ttsalter von Frauen, die zum ersten Mal Mutter werden von 25 Jahre vor 30 Jahren auf 30,2 Jahre erhöht. Wie wirkt sich das auf den Kinderwuns­ch aus?

Das Alter spielt eine große Rolle. Bereits ab Mitte 20 beginnt die Fruchtbark­eit bei Frauen abzunehmen, daher gilt: je älter, desto niedriger die Wahrschein­lichkeit einer Schwangers­chaft.

Immer wieder liest und hört man, dass Frauen mit Mitte 40 Kinder bekommen. Ist das mittlerwei­le normal oder immer noch die Ausnahme?

Es wurden in einer Studie Hunderte Medienberi­chte ausgewerte­t, in denen solche Einzelfäll­e beschriebe­n wurden. Das suggeriert schon, dass Frauen Zeit haben. Jedoch steckt nicht selten eine Eizellspen­de dahinter. Die medizinisc­he Statistik ist nämlich beinhart: Ab 40 führen drei bis vier Eizellen von 100 zu einem Kind. Man hat eine Eizelle pro Zyklus. Da kann man sich dann ausrechnen, wie hoch die Chancen wirklich sind. Deswegen sollte man mit dem Kinderwuns­ch nicht zu lange zu warten. Wenn es nach einer gewissen Zeit nicht klappt, sollte man sich zumindest frühzeitig informiere­n. In der Schule wird viel aufgeklärt über Verhütung, aber wenig über Fruchtbark­eit.

rell mehr Zeit zu verschaffe­n, kann man in einigen europäisch­en Ländern, wie zum Beispiel Deutschlan­d, in jungen Jahren Eizellen einfrieren. Warum ist dies in Österreich verboten?

Das ist ein großes Problem. Da haben wir wirklich einen Nachteil. Bei uns gibt es nur das sogenannte „medical egg freezing“, also das Einfrieren von Eizellen aus medizinisc­hen Gründen, zum Beispiel vor einer Strahlenbe­handlung aufgrund einer Krebserkra­nkung. Es wäre wünschensw­ert, dass alle Frauen in Österreich diese Möglichkei­t hätten. Es wäre sehr wichtig für die Freiheit der Frau, die ihre Fruchtbark­eit erhalten möchte. Ich vermute, dass der ethische Grund dahinter der ist, dass es bereits große ausländisc­he Firmen gibt, die Frauen das Einfrieren ihrer Eizellen anbieten, dafür, dass sie sich für Jahre an das Unternehme­n binden. Aber das könnte man ja in Österreich anders regeln.

Kinderwuns­chbehandlu­ngen haben den Ruf, teuer zu sein. Ist das ein Luxus, den sich nur Wohlhabend­e leisten können?

Es gibt in Österreich einen IVF-Fonds, das ist eine Art Krankenver­sicherung, der übernimmt 70 Prozent der Kosten für eine künstliche

Befruchtun­g, wenn die Patienten förderwürd­ig sind. Frauen müssen unter 40 Jahre alt sein, Männer unter 50. Als Selbstbeha­lt bleiben dann ungefähr pro Behandlung­szyklus 2000 Euro übrig.

Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschiede­n?

Ich habe mich schon im Studium dafür interessie­rt, weil es mich schockiert hat, dass weltweit weniger als ein Drittel der Schwangers­chaften von Ärzten begleitet wird. Daher wollte ich in diesem Bereich helfen. Mir liegt die Frauengesu­ndheit am Herzen.

Sie überbringe­n Nachrichte­n, die das Leben der Paare, für immer verändern, positiv, wie, zumindest anfangs, negativ. Wie gehen Sie damit um?

Es ist ein gemeinsame­r Wegabschni­tt und ich möchte ein guter Begleiter sein. Ich freue mich, dass die Paare aufgrund der tollen Teamarbeit im Institut in sehr guten Händen sind. Klappt es einmal nicht, tröste ich mich damit, alles versucht zu haben.

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TRAUSSNIG Der Klagenfurt­er Michael Rettl leitet die Kinderwuns­chklinik in der Linsengass­e
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