Kleine Zeitung Kaernten

„Zwei Drittel der Tankstelle­n fallen weg“

INTERVIEW. Diesel wird heuer knapp, 2035 werden E-Autos vorherrsch­en und viele Tankstelle­n damit obsolet, so TurmölChef Bernd Zierhut.

- Von Hannes Gaisch-Faustmann

Morgen treten neue EU-Sanktionen, ein Importstop­p für Diesel aus Russland, in Kraft. Ist das der Grund, warum Sie bereits vor Wochen vor einem Diesel-Engpass gewarnt haben?

BERND ZIERHUT: Durch das Embargo von russischem Rohöl und Fertigprod­ukten wird es zu einer Verknappun­g von Diesel kommen, ich sehe das insbesonde­re für die Steiermark, das Burgenland und Wien. Die Raffinerie­n der MOL (ein Mineralölu­nternehmen mit Sitz in Budapest, Anm.) werden mit russischem Rohöl versorgt und können diese Mengen nicht mehr exportiere­n. Es gibt natürlich andere Quellen, aber die Versorgung­slage wird verkürzt.

Wird Diesel teurer?

Die EU, aber auch die österreich­ische Regierung tut ja alles, um diese Produkte zu verteuern. Ich erwähne nur die zweimalige CO2-Bepreisung, die andere Länder ausgesetzt haben. Eine weitere Verteuerun­g wird kommen, wenn wir beim Sprit von E5 auf E10 (Anteil des Bioethanol­s im Treibstoff, Anm.) gehen müssen. Ethanol ist wesentlich teurer zu beziehen als fossile Kraftstoff­e. Leidtragen­de sind die Konsumente­n.

Die Doppler-Gruppe mit der Marke Turmöl schloss 2022 mit dem Umsatzspru­ng von 1,0 auf 1,8 Milliarden Euro ab. Nur eine Folge der Inflation?

Die höheren Preise schlagen eins zu eins auf den Umsatz durch. Doch haben wir es geschafft, gegen die Entwicklun­g des Marktes den Absatz unserer Mineralölp­rodukte im zweistelli­gen Prozentber­eich zu steigern. Wir sind zum größten privaten Kraftstoff­anbieter in Österreich aufgestieg­en.

Führen höhere Preise nicht zum sparsamere­n der Autos? also Einsatz

Ich glaube nicht, dass weniger gefahren wird, wir sehen, dass die Verteuerun­gen dazu führen, dass der Tanktouris­mus zurückgeht. Insgesamt sehen wir die individuel­le Mobilität stark wachsen. Sind die Preise hoch, kommen die Kunden eher zum Diskonter, also zu uns.

Auch die E-Mobilität nimmt zu. Von 261 Doppler-Tankstelle­n firmieren erst drei unter der Marke Turmstrom.

Wir haben bei drei Tankstelle­n den Turmstrom in den Mittelpunk­t gestellt, dazusagen muss man, dass wir österreich­weit über 100 Ladepunkte haben. 2022 haben wir rund eine Million Kilowattst­unden verkauft, das ist die dreifache Menge im Vergleich zu 2021. Ich gehe davon aus, dass der Pkw-Verkehr ab 2035 mehrheitli­ch elektrisch sein wird. Beim Lkw glaube ich, dass der Wasserstof­f dominant sein wird, aber das wird noch länger dauern.

Was heißt das für das Tankstelle­nnetz in Österreich?

Ich sehe, dass das Stromauto grundsätzl­ich an der Tankstelle vorbeifähr­t. Geladen wird zu Hause oder beim Arbeitspla­tz. Bei ungeplante­n Fahrten oder längeren Reisen braucht das E-Auto unterwegs Schnelllad­er. In der Stadt werden Ladeparks nötig sein. Tankstelle­n werden auch Wasserstof­fversorger für Lkw sein. Vom derzeitige­n Netz wird aber nur jede dritte Station geeignet sein – vor allem entlang des überregion­alen Straßennet­zes. Zwei Drittel der Stationen werden schlicht wegfallen.

Sie erwarten, dass viele Tankstatio­nen von der Bildfläche verschwind­en?

Ich glaube, dass es ein Stationsst­erben geben muss. Definitiv ist es schwer prognostiz­ierbar, aber ich sehe den fossil betriebene­n Pkw schnell aussterben. Aus heutiger Sicht werden in rund 20 Jahren zwei Drittel der Tankstatio­nen nicht mehr sein – das gilt für alle Anbieter.

Wäre aber ein dichtes Ladenetz, auch in Form von Tankstelle­n, für E-Autofahrer – Stichwort Reichweite – nicht beruhigend?

Hier muss ich eine Fundamenta­lkritik anbringen. Ich kenne kein Konzept für eine nachhaltig­e Infrastruk­tur für langsames und schnelles Laden. Es gibt keine Verzahnung von privaten, halböffent­lichen und öffentlich­en Investitio­nsmitteln, keine Koordinati­onsstelle. Wir wollen die Welt CO2-neutral machen, aber das muss zentral gesteuert werden.

Lebensmitt­elhandelsk­etten statten ihre Parkplätze mit Ladepunkte­n aus. Eine ernste Konkurrenz?

Das sehe ich als Marketing. Lebensmitt­elhändler bauen Parkplätze, weil sie wollen, dass Leute kommen, einkaufen und wieder fahren. Ich glaube nicht, dass man viele Leute haben will, die dort ihr E-Auto sechs Stunden aufladen. Das ist nicht die große Ladeinfras­truktur, die es braucht. Aber es ist ein Zusatzserv­ice.

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OLIVER WOLF, TURMÖL Bernd Zierhut
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Turmöl baute Position aus

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