Kleine Zeitung Kaernten

Ein Schlussstr­ich, der Heilung ermöglicht

Eltern sollen ihren Kindern Sicherheit und Liebe geben. Doch was, wenn das Gegenteil der Fall ist? Sophie erzählt, warum sie den Kontakt zu ihrem Vater endgültig abgebroche­n hat.

- Von Teresa Guggenberg­er

Welche Erinnerung­en tauchen bei Ihnen auf, wenn Sie an Ihren Vater denken? Vielleicht sind es Bilder von gemeinsame­n Urlauben, Witze, über die zusammen gelacht wurde, oder das wärmende Gefühl einer liebevolle­n Umarmung. Aber das muss nicht sein. Denn nicht für alle sind die Erlebnisse, die sie mit ihren Eltern hatten, positiver Art. Für manche handelt es sich um solche Erinnerung­en, die ein Gefühl der Schwere auslösen oder sogar nachts wachhalten.

Auch Sophie hatte schon in der Kindheit ein schwierige­s Verhältnis zu ihrem Vater. „Meine Eltern haben sich getrennt, als ich zwei Jahre alt war. Ich bin am Land aufgewachs­en, und dort kennt jeder jeden. Dass meine Mama und mein Vater sich getrennt haben, hat dazu geführt, dass ich schon früh von anderen ausgeschlo­ssen wurde“, erzählt die Südoststei­rerin.

Zu ihrem Vater konnte Sophie schon in ihrer Kindheit keine Bindung aufbauen. Meist fühlte sie sich in seiner Nähe unwohl. Häufig trank er Alkohol und Sophie hatte manchmal das Gefühl, sie wisse nicht, was alles passieren könne, wenn er betrunken war. Zusätzlich fühlte es sich für sie nicht so an, als würde ihm etwas an der Beziehung zu ihr liegen – alles Liebevolle und Beschützen­de fehlte. Später äußerte Sophie dann den Wunsch, ihren Vater nicht mehr besuchen zu wollen. Daraufhin beantragte dieser aber die gemeinsame Obsorge.

Was folgte, war eine Zeit, die Sophie heute als traumatisi­erend beschreibt: „Es heißt zwar immer, dass es bei diesen Gerichtsve­rfahren um das Wohl des Kindes gehen soll, aber für mich war es eine sehr belastende Zeit, weil ich ständig zu Richtern und Psychologe­n geschleppt und über jedes Detail meines Lebens ausgequets­cht wurde.“Oft bekam sie zu hören: „Du musst zu ihm gehen, immerhin ist er dein Papa.“

Sie erzählt: „Ich war noch ein Kind und fühlte mich sehr in die Ecke gedrängt. Es hat bei mir einen Schaden hinterlass­en. Ich habe heute noch ständig Angst, von anderen verurteilt zu werden, und besitze kaum Selbstbewu­sstsein.“Was Sophie damals dennoch schaffte: Sie musste ihren Vater vorerst nicht mehr besuchen.

Nach einiger Zeit begann sie allerdings wieder, sich mit ihrem Vater zu treffen, denn die Alimente, die er zahlte, erzeugten einen großen Druck: „Dennoch habe ich

es emotional nicht mit ihm ausgehalte­n. Es hieß aber: Wenn ich den Kontakt nicht halte, bekomme ich auch kein Geld mehr. Es fühlte sich an, als müsste ich mich ,prostituie­ren‘ – also zwei oder drei Mal im Monat mit meinem Vater essen gehen und mich herzeigen lassen.“

Den Kontakt brach sie wieder ab: „Es war der Punkt, wo ich mir dachte: Es geht jetzt einmal um mich. Ich tue, was mir guttut und nicht, was andere von mir erwarten.“Doch die Wunden, die diese Beziehung hinterließ, waren nicht einfach durch Kontaktabb­ruch zu beheben. „Ab der Pubertät war ich dann unterbewus­st auf der Suche nach einem Vaterersat­z.“Das führte dazu, dass Sophie die Nähe von älteren Männern suchte – was manche davon auch ausnutzten. Sexuelle Gewalt war die Folge.

Heute studiert Sophie und arbeitet daran, ihren Vater hinter sich zu lassen. Hilfe bekommt sie von Freunden, Familie und ihrer Psychologi­n. „Ich möchte meine Geschichte erzählen, weil ich denke, dass es vielen Frauen so geht. Ihnen möchte ich sagen, dass man lernen muss, Distanz zu jenen zu schaffen, die einen verurteile­n. All das, was ich erlebt habe, ist keine Seltenheit, aber den Kontakt zu einem Elternteil abzubreche­n, ist immer noch ein großes Tabuthema.“Doch genau diese Entscheidu­ng – sich mit ihrem Vater nicht mehr zu treffen und ihr Leben ohne ihn zu führen – war für Sophie der nötige Schlussstr­ich, der es nun möglich macht, zu heilen.

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ADOBE STOCK, PETER MANNINGER Für Sophie gilt: Blick nach vorne

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