„Flughafen war schon 2018 ein totes Pferd“
Olga Voglauer und Martin Gruber im emotionalen Austausch über Bahn und Straßen, die Zukunft der Landwirtschaft und die Versäumnisse beim Ausbau der erneubaren Energie.
Zwei landwirtschaftlich beschäftigte Personen, wie es laut Gender-Leitfaden heißt, sind heute zu Gast. Wer von Ihnen hat eigentlich den größeren Betrieb? MARTIN GRUBER: Mein Betrieb hat elf Hektar und 100 Bio-Mastschweine-Plätze. OLGA VOGLAUER: Wir bewirtschaften 25 Hektar Grünland und haben 15 Heumilchkühe.
Bei einem landwirtschaftlichen Thema liegen Ihre Positionen weit auseinander. Warum schauen Sie als Bäuerin zu, wenn Hunderte Schafe von Wölfen gerissen werden und Ihre Umweltministerin Leonore Gewessler sich trotzdem für den Schutz des Wolfes stark macht? VOGLAUER: Ich verstehe jeden Bauern, auf dessen Alm Tiere gerissen werden, das ist ein schlimmer Anblick. Aber Fakt ist, dass der Wolf einen europäischen Schutz hat. Diesen können weder Martin Gruber noch ich aufheben. Der europäische Diskurs darüber beginnt jetzt gerade.
Warum will die ÖVP Wölfe abschießen lassen, anstatt in den Herdenschutz zu investieren?
GRUBER: Es geht darum, die Bauern vor einem Raubtier zu schützen, dass sich massiv ausbreitet. Die Flora-FaunaHabitat-Richtlinie muss aufgemacht und der Wolf zu einem jagdbaren Wild werden. Mit unserer Verordnung sorgen wir dafür, dass in Kärnten Wölfe entnommen werden. VOGLAUER: Machen wir die FFH-Richtline auf, dann müssen wir zum Artenschutz noch größere Pakete schnüren. Die Almen und Bauern brauchen eine höhere Dotierung bei den Agrar- und Umweltförderungen.
GRUBER: Es ist in dieser Periode gelungen, zehn Millionen mehr an Fördermitteln im Bereich Grünland und Almen nach Kärnten zu bringen. VOGLAUER: Das Umverteilen runter zu den Kleinen ist die grüne Handschrift. Wir müssen die Biolandwirtschaft stärken, weil die uns die Artenvielfalt erhält, die wir künftig brauchen werden. GRUBER: Wir haben schon eine der naturnahsten Bewirtschaftungsarten in ganz Europa. Einschränkungen bei Produktion, Bewirtschaftung, Düngung und Pflanzenschutz sind überschießende ideologische Bevormundungen.
VOGLAUER: Dass die Klimakrise jemanden ideologisch bevormundet, ist schon eine interessante Position. Wenn wir uns die Wälder in Oberkärnten anschauen – da hat nicht die Agrarpolitik zugeschlagen, sondern die Klimakrise und der Borkenkäfer! Wenn wir nicht handeln, haben wir in einigen Jahren wegen Dürre oder Unwetterereignissen beide keinen Hof mehr, den wir bewirtschaften können.
Verkehrsexperten sprechen sich für Tempolimits auf den Straßen aus: 30 im Ortsgebiet, 80 im Freiland, 100 auf Autobahnen. Warum sind Sie dagegen? GRUBER: Mit diesem „von oben herab“verliert man die Menschen auf dem Weg. Die Autofahrer sind nicht die Sündenböcke der Nation. Die wesentliche Frage ist der öffentliche Verkehr. Und da haben uns die Grünen in Kärnten in der letzten Periode wahnsinnige Baustellen hinterlassen – mit aufgelassenen Bahnstrecken, zugesperrten Haltestellen, keinen funktionierenden Taktungen. VOGLAUER: Beim öffentlichen Verkehr gibt es im Klimaministerium ein Commitment, Kärnten besonders stark zu unterstützen. Taktung, Ausbau, Klimaticket – überall steckt Bundesgeld drinnen.
Beim Thema Ausbau der S 37 bzw. B 317 Friesacher Straße gelingt der Schulterschluss mit dem Bund offenbar nicht.
GRUBER: Nein, und Ministerin Gewessler ist nicht bereit, auch nur einen einzigen Termin durchzuführen.
Handeln die Grünen gegen die Interessen der Menschen im Raum Mittelkärnten?
VOGLAUER: Ich bin dafür, gute, sichere Straßen zu haben. Was ich nicht will, ist eine weitere Transit- und Autobahn-Ausweichstrecke. Die Leute, die dort wohnen, sind jetzt auch schon belastet.
Warum wollen Sie unbedingt eine weitere Transitroute durch Kärnten schaffen?
GRUBER: Das wird keine Transitstrecke! Es geht darum, den Wirtschaftsraum St. Veit an den Zentralraum anzubinden. Der Ausbau ist schon jahrelang versprochen und wird jetzt ohne inhaltliche Begründung vom Tisch gewischt. Ich bin bereit, bis zum Verfassungsgerichtshof zu gehen. VOGLAUER: Das Klimaministerium hat 150 Millionen Euro für die Entwicklung der B 317 angeboten.
GRUBER: Das ist Schandgeld! Ein unmoralisches Angebot.
VOGLAUER: Der öffentliche Verkehr in Kärnten wird auch mit über 100 Millionen vom Bund unterstützt. Da nimmt man das Geld gern. Da ist es kein unmoralisches Angebot?
GRUBER: Bei der B 317 werden Gesetze nicht eingehalten!
Sie fordern auch eine eigene Güterbahntrasse, um den Zentralraum zu entlasten. Glauben Sie ernsthaft, dass es jemals so eine Trasse geben wird?
GRUBER: Wir brauchen eine Lösung im Sinne der Bevölkerung. Die lang geforderte Güterverkehrstrasse muss in den Rahmenplan der ÖBB. VOGLAUER: Für die Gütertrasse wurde gemeinsam eine Studie gemacht. Das Projekt ist jetzt bei den ÖBB mit anderen im Wettbewerb. Warten wir ab, was rauskommt. Ab Ende 2024 gibt es übrigens diese lauten Güterzüge nicht mehr – das wird leise.
Ihr Lieblingsthema im Wahlkampf ist der Flughafen Klagenfurt. Warum verhindert die Wirtschaftspartei ÖVP, dass der
Mehrheitseigentümer den Flughafen weiterentwickelt?
GRUBER: Es gibt grundlegende Verträge, die der Investor bis heute nicht erfüllt hat. Der Flughafen-Mehrheitseigentümer hat mehrmals versucht, sich die Grundstücke selbst zuzuschanzen, und führt uns seit Jahren an der Nase herum. Verschleudern von Landesvermögen werden wir nicht zulassen! Sonst droht der größte Immobilienskandal seit dem Seenkauf.
VOGLAUER: Die ÖVP hat der Flughafen-Privatisierung zugestimmt.
GRUBER: Die Grünen auch!
VOGLAUER: Außer den Rückkauf, den wir auch begrüßen, habe ich von Martin Gruber noch keine Ideen für den Flughafen gehört. Weder habt ihr noch hat die SPÖ ein Konzept vorgelegt. Ihr könnt ja nicht dauernd die Kärntner anschwindeln!
GRUBER: Ich will einen Flughafen, der funktioniert, mit internationalen Anbindungen. Finanzieren können wir die Weiterentwicklung mit der Inwertsetzung von Grundstücken – nach einer Ausschreibung.
VOGLAUER: Der Flughafen war bereits 2018 ein totes Pferd. Das kann man nicht reiten und zum Fliegen bringen. Nutzen wir die Flächen, um Energie zu produzieren.
Herr Orasch will auch einen Photovoltaikpark errichten. Dann könnten Sie gemeinsame Sache machen?
VOGLAUER: Er will dort Wasserstoff produzieren, damit Flugzeuge aufstiegen. Wir
wollen Strom für 80.000 Kärntnerinnen und Kärntner produzieren.
150 Windräder in Kärnten sind für Sie beide vorstellbar?
VOGLAUER: Ja, die brauchen wir, damit wir den Energiemix schaffen. Und auch für Freiflächen-Photovoltaik brauchen wir Zonierungen. GRUBER: Mir gefallen Windräder nicht, aber ich weiß, dass wir sie brauchen werden – da, wo es ökonomisch und ökologisch machbar ist. Wir scheitern bei der Umsetzung von erneuerbaren Energieprojekten oft an NGOs.
VOGLAUER: Gescheitert ist man in Kärnten nicht an einer NGO, sondern weil man es nicht durfte.
Der Masterplan von Rolf Holub ist nicht mehr zeitgemäß?
VOGLAUER: Der Masterplan wurde gemacht, um ihn weiterzuentwicklen. Man kann sich nicht auf den Erkenntnissen von 2015 ausruhen.
Koalitionspartner steht da auf der Bremse?
SPÖ
GRUBER: Da gibt es Verantwortungsträger, die sich darauf ausruhen, dass eh alles passt. Der Raumordnungsreferent sagt: „Alternativenergieanlagen nur über meine Leiche.“Die Energiereferentin sagt: „Wir sind so gut, wir brauchen es nicht.“
VOGLAUER: Wer die Klimakrise nicht ernst nimmt und für falsche Raumordnung und Bauordnung sorgt, kann sich in Treffen und Arriach die Folgen anschauen.
Die ÖVP hat Bürokratieabbau in Kärnten versprochen. Ist da irgendetwas weitergegangen?
GRUBER: In unseren Zuständigkeitsbereichen haben wir viele Vereinfachungen durchgeführt – etwa mit dem Wirtschaftsombudsmann. VOGLAUER: Die Verwaltung muss schneller, digitaler werden. Man muss Kompetenzen zusammenführen, damit Leute nicht an fünf unterschiedlichen Abteilungen scheitern.
Wie geht es Ihnen als Mitglieder der Parteien, die laut UmfraIhr
gen die unbeliebteste Bundesregierung aller Zeiten bilden? GRUBER: Politik ist kein Beliebtheitswettbewerb. Die Bundesregierung hat entschlossen und schnell in Krisenzeiten gehandelt.
Weil Sie mit der Gießkanne Förderungen in Milliardenhöhe ausschütten?
VOGLAUER: Uns war wichtig, dass Förderungen schnell fließen. Die werden kontrolliert und bei Bedarf zurückgefordert. Im Kampf gegen Korruption hinterlassen die Grünen wesentliche Spuren.
Welche Konsequenzen ziehen Sie, sollten die Grünen den Einzug in den Landtag verpassen?
VOGLAUER: Wir machen Wahlen, um zu gewinnen, nicht, um zu verlieren.
Wird der Gru:Bär politisch abgeschossen, wenn Sie verlieren?
GRUBER: Wir wollen gestärkt aus dieser Wahl hervorgehen und auch künftig als bürgerliches Korrektiv in der Landesregierung vertreten sein.