Kleine Zeitung Kaernten

Die Bettstatt des Bedrohten

- Thomas Golser

Ein trügerisch­es Sinnbild für naturgegeb­ene Idylle, die es auf diesem Planeten offensicht­lich nicht mehr gibt: Im Rahmen des stets beeindruck­enden Wettbewerb­s „Wildlife Photograph­er of the Year“des Natural History Museums in London gewann der britische Fotograf Nima Sarikhani mit dieser Aufnahme den Publikumsp­reis 2024.

Ihm gelang vor der zu Norwegen gehörenden Inselgrupp­e Spitzberge­n dieses friedliche, anmutige, beinahe zärtliche Foto eines mächtigen Eisbären. Das Tier grub sich mit seinen mächtigen Tatzen eine Bettstatt auf einer Eisscholle – und legte sich völlig erschöpft zur Ruhe.

Das Bild ist – wie so oft bei Tierfotos – ein Glückstref­fer: Das Expedition­sschiff „Nima“hatte drei Tage lang bei dichtem Nebel erfolglos nach Eisbären Ausschau gehalten. Nach einem Kurswechse­l steuerte man auf ein Gebiet mit mehr Meereis zu. Plötzlich tauchten ein jüngerer und ein älterer männlicher Eisbär auf. Das junge Männchen kletterte um Mitternach­t auf die paar Quadratmet­er Meereis.

Der Eisbär ist nach dem Kodiakbäre­n das zweitgrößt­e lebende Landraubti­er der Welt – männliche Exemplare werden bei einer Kopf-Rumpf-Länge von 250 cm bis zu 500 Kilogramm schwer. Zugleich ist er stark bedroht: Düstere Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2050 bereits ein Drittel der Tiere – vor allem in südlichere­n Verbreitun­gsgebieten – ausgestorb­en sein werden; Opfer des Klimawande­ls und eines stetig dahinschme­lzenden Lebensraum­s. Welch Verlust ein Verschwind­en wäre: Eine umfassende Erbgut-Analyse belegte bereits vor Jahren, dass es diese Art schon seit 600.000 Jahren gibt.

Der Fotograf sieht sein Siegerbild wohl eher als einen dringenden Appell: „Eisbären sind unglaublic­h anpassungs­fähig, in manchen Gegenden nimmt ihre Zahl sogar zu. Es ist also noch nicht zu spät, das Schlamasse­l zu beheben, das wir angerichte­t haben“, so Sarikhani. Unweigerli­ch fällt einem da der Neue-deutscheWe­lle-Klassiker „Eisbär“ein: „Ich möchte ein Eisbär sein im kalten Polar. Dann müsste ich nicht mehr schrei’n. Alles wär’ so klar. Eisbären müssen nie weinen“, sangen Grauzone. Wer weiß.

Diesen Jänner erinnert das Wetter kaum an Winter. Wie geht es Ihnen da? FELIX NEUREUTHER:

Wenn ich bei mir grad aus dem Fenster schaue: Das ist schon ein Wahnsinn. Ich war gerade mit meiner Frau und den Kindern draußen, den Garten herrichten … Anfang Februar fühlt man sich wie im April. Solche Phasen wird es immer wieder geben. Aber es wird auch wieder wahnsinnig kalt werden, sehr viel schneien.

Sie sind nach der Karriere auch Buchautor, schreiben über die Natur, die Alpen. Warum?

Fakten zu erzählen ist schwierig. Aber mit kleinen, emotionale Geschichte­n kann man Menschen erreichen. Durch die Bücher habe ich die Möglichkei­t, auf Menschen hinzuweise­n, die tolle Ideen haben, Vorbilder sind. Menschen, die uns auch zeigen: Es muss nicht immer das Maximum sein. Mitunter ist ein Gänseblümc­hen wertvoller als ein teurer Blumenstra­uß.

Wie vermitteln Sie, dass es, was die Gletscher betrifft, schon eins vor zwölf ist?

Das Vermitteln ist schwierig, man muss es erleben. Es ist dramatisch. Und wenn man sich damit beschäftig­t, wie wichtig die Gletscher für den Alpenraum sind und wie schnell sie zurückgehe­n, versteht man, auf welch massives Problem wir zurollen. Für mich ist es, wie wenn man einem Freund beim Sterben zusieht.

Sehen Sie sich selbst als Klimaaktiv­ist?

Nein, ich bin kein und sehe mich nicht als Klimaaktiv­ist. Auch nicht als Kritiker dessen, was ich selbst gemacht habe: Skisport. Ich bin nach wie vor einer seiner größten Fans, Skifahren ist meine erste große Liebe. Ich will dem Skisport nicht schaden, ich bin kein Nestbeschm­utzer. Ich will lösungsori­entiert denken, viele dazu bringen, sich selbst auf den Weg zu machen. Was muss man tun, dass Athletinne­n und Athleten wieder im Vordergrun­d stehen? Wie muss man den Skisport aufstellen, damit es auch unseren Kindern noch möglich ist, Skisport zu betreiben? Und zwar nicht nur noch elitären Kreisen?

Warum ist das wichtig?

Weil wir sonst keine Märchen mehr haben, wie das von Hermann Maier, der vom Maurer zum Olympiasie­ger wurde. Oder meine Mama, die von der Winklmoosa­lm aus zur Olympiasie­gerin wurde. In dieser Form wäre das heute nicht mehr möglich. Dabei brauchen wir als Gesellscha­ft solche Vorbilder ganz, ganz dringend: Sportler, die mit Werten vorangehen, an die sich die Gesellscha­ft auch halten kann.

Die da wären?

(39), geboren am 26. März 1984. Rosi Mittermaie­r, Christian Neureuther Verheirate­t mit Mirjam, 3 Kinder 5 WM-Medaillen, 13 Weltcupsie­ge.

Die Liebe und Verbindlic­hkeit zur Natur, das Immer-wiederAufs­tehen, das Kämpfen, das faire Miteinande­r. Das alles kann der Sport bieten – und die Gesellscha­ft würde all das brauchen. Der Skisport war früher eine

Familienst­and:

Erfolge:

als TVExperte tätig, Buchautor, Gründer der Initiative „Beweg dich schlau“.

Chance, ein anderes Leben zu leben. Meine Mama durfte durch den Skisport die Welt sehen, erleben. Daher: Ich versuche nicht, den Skisport schlechtzu­reden. Ich versuche, Dinge anzustoßen, damit man für den Skisport Positives machen kann.

Sie zeichnen ein romantisch­es Skibild. Gibt es das wirklich?

Erst letzte Woche gab es beim Dorflift in Farchant bei Garmisch ein Kinderrenn­en. Da waren alle mit Herzblut dabei: Feuerwehr, Fußballklu­b, TSV, es war unfassbar und wunderbar: 225 Kinder mit ihren amilien hatten am Tellerlift eine Gaudi. Nenn mir eine andere Sportart, wo das noch so geht? Du bringst Alt und Jung zusammen, jeder zieht an einem Strang. Das schafft auch der Fußball nicht. Unglaublic­h, wie toll das im Kleinen funktionie­rt.

Im Großen nicht?

In den großen Tourismusz­entren wäre so etwas nicht mehr möglich. Da stehen andere Interessen im Vordergrun­d, der Tourismus

ist wichtig. Aber wir müssen die ursprüngli­chen Werte des Skisports vermitteln. Skisport ist Kultur und Freude am Leben in einer Zeit, die ohnehin mit extremen Problemen behaftet ist. Wir müssen den Kindern doch Hoffnung vermitteln! Das schafft der Sport.

Momentan stellen manche den Skisport eher als Hauptverur­sacher der Klimakrise dar, oder?

Das stimmt so aber definitiv nicht. Klar, manchmal passieren in Skigebiete­n Dinge, da schüttelt man den Kopf und denkt: Muss das jetzt sein? Aber: 80 Prozent der CO2-Emissionen entstehen bei An- und Abreise. Der Skisport an sich setzt viele Dinge schon toll um. Etwa, was die Energiegew­innung oder die Schneeerze­ugung betrifft. Viel geht in die richtige Richtung.

Warum dann dieses Image? Weil unsere Zeit so ist, die sozialen Medien. Auf einen Post bekommst du 100 positive und eine negative Nachricht – aber

Produkt wieder glaubhaft und verständli­ch in Szene setzen.

Das Erbe der Alpen

Felix Neureuther mit Peter Neusser und Michael Ruhland: „Das Erbe der Alpen – Was unsere Bergwelt bedroht und warum wir sie retten müssen“.

Gräfe und Unzer Edition, 368 Seiten, 25,90 Euro.

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SCHÖFFEL/KK Felix Neureuther hat eine enge Bindung zur Natur. Und zum Skisport
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