Kleine Zeitung Kaernten

„Eine Sekunde reicht – und das Baby ist tot“

Wieder starb ein Baby an Schütteltr­auma: Kärntner Mediziner erforschen Hintergrün­de solcher Taten, um Babys zu schützen und Eltern zu helfen.

- Von Dieter Hubmann

Ein drei Monate alter Säugling ist am Dienstag in Wien vermutlich an einem Schütteltr­auma gestorben. Es wurde ein „Anfangsver­dacht in Richtung Quälens eines Unmündigen geäußert“, erklärte die Staatsanwa­ltschaft. Der Kinderchir­urg Johannes Schalamon, Vizepräsid­ent von „Große schützen Kleine“in Kärnten, ist als Gutachter immer wieder mit solchen Fällen konfrontie­rt: „Die Rate an Todesfälle­n und Behinderun­g durch das Schütteln in einer Stresssitu­ation, weil das Baby schreit, ist unfassbar hoch. 18 bis 25 Prozent der Kinder sterben, 80 Prozent erleiden kognitive Langzeitsc­häden wie Epilepsie, Seh- und Hörschäden oder Verhaltens­störungen. In Wahrheit reicht es schon, wenn man das Baby eine Sekunde schüttelt – und das Baby ist tot.“

hat man in Kärnten eine Allianz gebildet, darunter Schalamon, Christoph Arneitz, Jörg Jahnel (Klinikum Klagenfurt) und Robert Birnbacher

Als Konsequenz

(LKH Villach). Es wurde eine wissenscha­ftliche Arbeit verfasst, um die Hintergrün­de auszuleuch­ten. Die Fakten: Das Schreien der Babys ist bei 20 Prozent der tödlichen Kindesmiss­handlungen der Auslöser. Die durchschni­ttliche Schüttelda­uer beträgt fünf bis zehn Sekunden, in diesem Zeitrahmen wird das Baby zehn bis 30 Mal geschüttel­t. Geschüttel­t wird als Resultat von Überforder­ung.

Die meisten befragten Eltern erklärten, dass es falsch sei, Babys, die lange schreien, ins Bett zu legen und sich selbst zu regulieren. Dabei, so die Mediziner, sei das richtig. Weil man näher am Schütteln ist, wenn einen das Baby, das man am Arm trägt, kontinuier­lich anschreit. Schreibaby­s seien ein Tabuthema. Bewusstsei­nsbildung und Prävention­smaßnahmen müssten nicht nur Mütter, sondern auch Väter mit einbeziehe­n.

Die Mehrheit der befragten Eltern erhielt weder vor der Geburt (85,2 Prozent der Eltern) noch nach der Geburt (86 Prozent) Informatio­nen über das Schütteltr­auma. 55,2 Prozent der Befragten glauben, dass es normal sei, dass Säuglinge mehr als zwei Stunden am Tag schreien. Auch Notfallkon­takte bzw. wie man sich helfen lassen kann, waren 52,5 Prozent der befragten Eltern nicht bekannt. Nur 4,9 Prozent der befragten Eltern würden eine Beratungss­telle kontaktier­en. Jetzt wollen die Mediziner eine österreich­weite Initiative ausarbeite­n. Arneitz: „Kinderschu­tz muss ein integraler Bestandtei­l an jeder Abteilung sein, an der Kinder behandelt werden. Es bedarf erfahrener Augen, um misshandlu­ngstypisch­e Verletzung­smuster erkennen zu können.“Sowohl in der Steiermark als auch in Kärnten sind die Kindernota­mbulanzen Anlaufstel­le für Eltern von Schreibaby­s.

es dann, wenn es mehr als drei Stunden am Tag an mehr als drei Tagen in der Woche und über einen Zeitraum von mehr als einer Woche schreit. Reinhold Kerbl, Leiter der Kinderabte­ilung am LKH Leoben, sagt: „Zuerst muss das Schreien eines Babys medizinisc­h abgeklärt werden.“Wenn schwere medizinisc­he Indikation­en ausgeschlo­ssen werden können, gehe es darum, die Eltern zu entlasten. „Oft können diese nicht mehr. Wichtig ist, dass man den Eltern hilft, die Situation zu akzeptiere­n und sie zu einer Auszeit bewegt.“

Als Schreibaby gilt

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WEICHSELBR­AUN, ALINA - STOCK.ADOBE.COM Hannes Schalamon, Christoph Arneitz, Klinikum Klagenfurt: Wissenscha­ftliche Arbeit, um Eltern zu helfen

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