Kleine Zeitung Kaernten

Sie sind gekommen, um zu bleiben

Sie räumen ab und sie räumen ordentlich auf: Warum Frauen derzeit in der Musikindus­trie die Hosen anhaben.

- Von Susanne Rakowitz

Schönwette­rreden? Nicht mit ihr. Vier Grammys räumte Musikerin Phoebe Bridgers am letzten Sonntag bei den Grammys ab. Und im Presseraum redete sie dann Klartext: Neil Portnow, ehemaliger Grammy-Chef, möge doch bitte, wenn er stirbt, „verrotten“. Die Aussage ist jetzt übrigens recht entschärft. Portnow wird verdächtig­t, eine Musikerin unter Drogen gesetzt und vergewalti­gt zu haben. 2018 wurde er überdies einer breiten Öffentlich­keit bekannt, als er meinte, dass sich Musikerinn­en einfach mehr „anstrengen“sollten, um Anerkennun­g zu bekommen. „It’s a Man’s World“, könnte man sagen, aber Bridgers und ihre beiden Mitstreite­rinnen Julien Baker und Lucy Dacus wissen eines ganz genau: Das Momentum ist auf ihrer Seite. Dass ihre Band Boygenius heißt, kommt nicht von ungefähr: Es ist ein einziges Amüsieren darüber, dass sich Musiker gerne im Vorbeigehe­n die Geniekrone krallen, als wären es Gratiszuck­erln in einer Hotellobby. Doch der Wind, er dreht sich: Dass Frauen die diesjährig­e Grammy-Verleihung dominiert haben, war kein Zufall und ist kein Zeitgeist, sondern ein Paradigmen­wechsel. Althergebr­achte Mechanisme­n in der Musikindus­trie werden vor allem durch Social Media massiv unter Druck gesetzt: Instagram,

YouTube oder TikTok sind längst zu virtuellen Bühnen avanciert, die Erfolge an den Gatekeeper­n vorbei ermögliche­n. Waren es früher Plattenfir­men, die Talente entdeckt haben, so ist es oft längst umgekehrt: Musikerinn­en und Musiker, deren Powerplay-Zahlen gerade durch die Decke gehen, werden von Plattenfir­men auf YouTube entdeckt.

Schlag nach bei Olivia Rodrigo, heuer ebenfalls für einen Grammy nominiert. Die viralen Raketenstu­fen ihrer Single „Drivers License“waren TikTok, dann Spotify, dann die Charts. Das nennt man Starwerdun­g über Nacht. Das alles erweitert den über viele Jahrzehnte üblichen engen Handlungss­pielraum enorm – inklusive Eigenpromo: 280 Millionen Follower hat Taylor Swift allein auf Instagram. Auf die Werbung einer Plattenfir­ma ist sie längst nicht mehr angewiesen. Einer ihrer größten

Coups war es, sich gegen den Musikmanag­er Scooter Braun zur Wehr zu setzten, der die Rechte an ihren früheren Alben gekauft und weiterverk­auft hatte. Swift hat ihre Alben einfach neu aufgenomme­n.

Wie tiefgreife­nd der Wandel in der Musikindus­trie ist, zeigte sich erst unlängst: Der CondéNast-Verlag hat die Musikkriti­kplattform Pitchfork mehr oder weniger zerschlage­n. Ist die Musikkriti­k, die immer auch eine Männerdomä­ne war, am Ende? Zumindest schwindet ihr Einfluss rasant. Und auch die digitale Macht von Fancommuni­tys ist enorm. Jene von Taylor

Swift haben unlängst konzertier­t gegen Hacker, die mit gefakten Pornobilde­rn ihres Idols das Netz geflutet haben, mobil gemacht.

SZA (li) und Miley Cyrus

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AP / CHRIS PIZZELLO Phoebe Bridgers, Lucy Dacus und Julien Baker – gemeinsam sind sie die Band Boygenius
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