Kleine Zeitung Kaernten

Warnung vor einer Rückkehr der Feindbilde­r

Heute vor 90 Jahren schossen Österreich­er auf Österreich­er. Und die Ereignisse vom Februar 1934 wirken bis heute.

- Leopold Figl, Gerhard Karner Van der Bellen Walter Hämmerle

ie Ereignisse von 1934 la- gen über Jahrzehnte als dunkler Schatten über den Be- ziehungen von SPÖ und ÖVP. In der Wissenscha­ft herrscht längst Konsens über die Fak- ten und deren Einordnung, nur die Parteien streiten noch über Begriffe und Rollen. Doch die Erinnerung an die 1600 Toten und neun Hinrichtun­gen ge- gen Schützbünd­ler, vor allem aber die Rolle von

Dollfuß, der das Parlament aus- schaltete und Sozialdemo­kra- ten wie Nationalso­zialisten verfolgte, schließlic­h von den Nazis ermordet wurde, bricht immer wieder in die Tagespolit­ik ein.

„Es gibt noch Spuren, aber sie sind nicht mehr sehr ausge- prägt“, sagt dazu der Politologe

Er sieht es als das historisch­e Verdienst der Gründervät­er der Zweiten Re- publik, eine Brücke zwischen den verfeindet­en Lagern ge- schlagen zu haben. Und das, ob- wohl etwa der ers- te Kanzler nach dem Zweiten Weltkrieg, vor dem Krieg auch Anführer einer paramilitä­rischen Organisati­on gewesen ist –„am Beginn jeder Kompromiss­demokratie steht ein Bürgerkrie­g“. Diese Versöhnung­sleistung, so Pelinka, „kann gar nicht hoch genug eingeschät­zt werden.“

Heute sind die Zeitzeugen tot und die Nachfolger im Ruhestand. Dennoch tauchen Erinnerung­en an 1934 regelmäßig in den Schlagzeil­en auf: sei es die Debatte um das DollfußPor­trät im ÖVP-Klub, das mittlerwei­le an ein Museum übergeben wurde, oder um ein dem Diktator gewidmetes Museum in Texingtal, wo ausgerechn­et

DAnton Pelinka. Engelbert

Innenminis­ter (ÖVP) Bürgermeis­ter war, und das nun aufgelöst wird.

Für Pelinka sind diese Debat- ten „Mittel zum Zweck, um das von den Bürgerlich­en an den Sozialdemo­kraten begangene Unrecht zu unterstrei­chen und die Vaterländi­sche Front, die Einheitspa­rtei der Dollfuß-/ Schuschnig­g-Diktatur, mit der NSDAP in einen Topf zu wer- fen“. Dazu passt, dass es anlässlich des 90. Jahrestags der Februarkäm­pfe einmal mehr kein gemeinsame­s Gedenken gibt. Im Parlament war das we- der ÖVP noch SPÖ ein Anliegen.

Aber droht heute wirklich ei- ne Wiederholu­ng der 1920er- Jahre, wie viele fürchten? „Ja und nein“, antwortet Pelinka. Ja, weil Demokratie stets ge- fährdet sei, wie man in Ungarn sehe; und nein, weil die Zeiten heute ganz andere seien. Er sieht die Versuchung, wieder in Freund-/Feindbilde­r zu verfal- len: „Diese Gefahr ist immer da, daran ist zu erinnern.“

Den wesentlich­sten Unter- schied zur Vorkriegsz­eit sieht

Pelinka im internatio­nalen Rahmen. Damals war Österreich mit Deutschlan­d und Italien zwischen zwei faschistis­chen Regimen eingeklemm­t, heute sind wir Mitglied der EU mit einem Grundwerte­katalog, der die Basis jeder liberalen Demokratie bildet: „Davon kann man sich nicht einfach verabschie­den.“elinka vermisst die Präzisieru­ng der Begriffe: „Warum spricht FPÖ-Obmann

von ‚Volkskanzl­er‘, aber nicht von ‚Volkspräsi­dent‘, obwohl Letzterer als einziger Bundespoli­tiker direkt gewählt ist? Weil er

nicht aufwerten will.“Dabei hat der Kanzler kein Weisungsre­cht in der Regierung und er kann sich auch die Minister eines Koalitions­partners nicht aussuchen, während niemand Kanzler oder Minister werden kann ohne die Unterschri­ft des Staatsober­haupts. Dem Bundespräs­identen, ist Pelinka überzeugt, komme 2024 eine entscheide­nde Rolle zu.

PKickl Herbert Alexander

 ?? APA / HERBERT PFARRHOFER ?? Rekruten-Angelobung vor dem Wiener Karl-Marx-Hof, der 1934 vom Bundesheer beschossen wurde
APA / HERBERT PFARRHOFER Rekruten-Angelobung vor dem Wiener Karl-Marx-Hof, der 1934 vom Bundesheer beschossen wurde

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