Warnung vor einer Rückkehr der Feindbilder
Heute vor 90 Jahren schossen Österreicher auf Österreicher. Und die Ereignisse vom Februar 1934 wirken bis heute.
ie Ereignisse von 1934 la- gen über Jahrzehnte als dunkler Schatten über den Be- ziehungen von SPÖ und ÖVP. In der Wissenschaft herrscht längst Konsens über die Fak- ten und deren Einordnung, nur die Parteien streiten noch über Begriffe und Rollen. Doch die Erinnerung an die 1600 Toten und neun Hinrichtungen ge- gen Schützbündler, vor allem aber die Rolle von
Dollfuß, der das Parlament aus- schaltete und Sozialdemokra- ten wie Nationalsozialisten verfolgte, schließlich von den Nazis ermordet wurde, bricht immer wieder in die Tagespolitik ein.
„Es gibt noch Spuren, aber sie sind nicht mehr sehr ausge- prägt“, sagt dazu der Politologe
Er sieht es als das historische Verdienst der Gründerväter der Zweiten Re- publik, eine Brücke zwischen den verfeindeten Lagern ge- schlagen zu haben. Und das, ob- wohl etwa der ers- te Kanzler nach dem Zweiten Weltkrieg, vor dem Krieg auch Anführer einer paramilitärischen Organisation gewesen ist –„am Beginn jeder Kompromissdemokratie steht ein Bürgerkrieg“. Diese Versöhnungsleistung, so Pelinka, „kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.“
Heute sind die Zeitzeugen tot und die Nachfolger im Ruhestand. Dennoch tauchen Erinnerungen an 1934 regelmäßig in den Schlagzeilen auf: sei es die Debatte um das DollfußPorträt im ÖVP-Klub, das mittlerweile an ein Museum übergeben wurde, oder um ein dem Diktator gewidmetes Museum in Texingtal, wo ausgerechnet
DAnton Pelinka. Engelbert
Innenminister (ÖVP) Bürgermeister war, und das nun aufgelöst wird.
Für Pelinka sind diese Debat- ten „Mittel zum Zweck, um das von den Bürgerlichen an den Sozialdemokraten begangene Unrecht zu unterstreichen und die Vaterländische Front, die Einheitspartei der Dollfuß-/ Schuschnigg-Diktatur, mit der NSDAP in einen Topf zu wer- fen“. Dazu passt, dass es anlässlich des 90. Jahrestags der Februarkämpfe einmal mehr kein gemeinsames Gedenken gibt. Im Parlament war das we- der ÖVP noch SPÖ ein Anliegen.
Aber droht heute wirklich ei- ne Wiederholung der 1920er- Jahre, wie viele fürchten? „Ja und nein“, antwortet Pelinka. Ja, weil Demokratie stets ge- fährdet sei, wie man in Ungarn sehe; und nein, weil die Zeiten heute ganz andere seien. Er sieht die Versuchung, wieder in Freund-/Feindbilder zu verfal- len: „Diese Gefahr ist immer da, daran ist zu erinnern.“
Den wesentlichsten Unter- schied zur Vorkriegszeit sieht
Pelinka im internationalen Rahmen. Damals war Österreich mit Deutschland und Italien zwischen zwei faschistischen Regimen eingeklemmt, heute sind wir Mitglied der EU mit einem Grundwertekatalog, der die Basis jeder liberalen Demokratie bildet: „Davon kann man sich nicht einfach verabschieden.“elinka vermisst die Präzisierung der Begriffe: „Warum spricht FPÖ-Obmann
von ‚Volkskanzler‘, aber nicht von ‚Volkspräsident‘, obwohl Letzterer als einziger Bundespolitiker direkt gewählt ist? Weil er
nicht aufwerten will.“Dabei hat der Kanzler kein Weisungsrecht in der Regierung und er kann sich auch die Minister eines Koalitionspartners nicht aussuchen, während niemand Kanzler oder Minister werden kann ohne die Unterschrift des Staatsoberhaupts. Dem Bundespräsidenten, ist Pelinka überzeugt, komme 2024 eine entscheidende Rolle zu.