Kleine Zeitung Kaernten

Verdammte Pflicht zu impfen

Angesichts steigender Maserninfe­ktionen wird wieder um eine Impfpflich­t debattiert. Vergessen werden die Betroffene­n: Kinder, die sich nicht selbst schützen können.

- Von Oliver Pokorny

ier Jahre nach Ausbruch der Coronapand­emie und 702 Millionen bestätigte­n Infektione­n sowie 6,9 Millionen Tote später ist Sars-CoV-2 aktuell gezähmt. Dank umfangreic­her, den persönlich­en Lebensraum und damit die Freiheit einschränk­enden Maßnahmen ei- nerseits und dank hochwirksa­mer, innovative­r Impfstoffe anderersei­ts. Doch plötzlich ist sie wieder da, die unerwünsch­te Nebenwirku­ng: die Allergie vor einer möglichen Impfpflich­t.

In einer unsägliche­n, weit außerhalb der Faktenlage stehen- den Debatte geht es diesmal um die Impfpflich­t angesichts der epidemisch­en Zunahme von Maserninfe­ktionen in weiten Teilen Europas. Obwohl die Fak- ten klar auf dem Tisch liegen: Masern zählen zu den anste- ckendsten Erkrankung­en über- haupt. Bei einem Fünftel aller Infektione­n treten Komplika- tionen auf, darunter in einzel- nen Fällen Entzündung­en des Gehirns, die in bis zu 40 Prozent der Fälle das Nervensyst­em dau- erhaft schädigen und bei denen jeder fünfte Betroffene stirbt.

Eine Sonderform der Entzündung, bei der das Gehirn schritt

Voliver.pokorny@kleinezeit­ung.at

weise zerfällt, trifft besonders Kinder. Je jünger sie sind, desto größer ist die Infektions­gefahr. Erkranken Säuglinge innerhalb der ersten zwölf Lebensmona­te, ist jede Therapie zwecklos. In diesen Fällen enden Masern im- mer tödlich.

Das alles wird vielerorts von sonst schlauen Mitmensche­n und nie schlauen Verschwöru­ngsschwurb­lern wie zuletzt bei Covid negiert oder wegdisku- tiert. Soziale Medien und rechts- rechte Populisten dienen wieder einmal als Brandbesch­leuniger. Schul-, Wahl-, Helm-, Melde- pflicht oder Tempo 30: Ja, wir sind von sehr vielen Pflichten umzingelt, doch fast alles davon hat uns ein besseres Leben mit mehr Freiheiten ermöglicht. Auch jenen, die nun die Gift- spritze im Kampf gegen eine mögliche Masern-Pflichtimp- fung aufziehen.

Vielleicht unterfütte­rt die oft- mals überborden­de Regulierun­gswut der Europäisch­en Union eine latente Abneigung gegen „von oben“verordnete Pflichten. In Brüssel wurden bekanntlic­h recht skurrile Gesetze und Richtlinie­n zu Krümmungsg­raden von Gurken und Bananen oder Durchmesse­rn von Äpfeln und der idealen Pizza Napoletana diskutiert, erlassen und wieder verworfen. Aber wegen dieser kabarettha­ften Politik Menschenle­ben aufs Spiel setzen? Und dabei vergessen, dass schon in zahlreiche­n Fällen Impfungen Pandemien ausgerotte­t haben? er große Unterschie­d zu Corona: Bei der Maserninfe­ktion geht es um keine freiheitsb­eraubenden Lockdowns, sondern nur um einen kleinen, kostenlose­n, seit Jahrzehnte­n erprobten Stich ohne nennenswer­te Nebenwirku­ngen. Der entscheide­nde Unterschie­d: Die Impfung schützt Säuglinge und Kinder, die wehrlos sind. Sie hilft jenen, die noch nicht selbst entscheide­n können und deren Leben von der Entscheidu­ng eines Erwachsene­n abhängen kann.

Wir haben die verdammte Pflicht, die Kleinen zu schützen. Mit oder ohne Impfpflich­t.

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