Selbstfindung im Exil
Regisseur Reinaldo Marcus Green erzählt in „Bob Marley: One Love“von der Genese des wichtigsten Albums des Reggae-Stars.
amaika in den späten 1970ern: Das Land steht kurz vor dem Bürgerkrieg, in den Straßen patrouillieren Milizen und das Militär rattert mit schwerer Artillerie und Panzern durch die Straßen. Selbst ein Prominenter wie der ReggaeKünstler Bob Marley (Kingsley Ben-Adir) wird da schon einmal beim Vorbeifahren aufgehalten. „Siehst du denn nicht, wer das ist!“, schnauzt der zweite Beamte den Kontrolleur an. Ruhm schützt manchmal und doch er kann einen auch zu einer lebenden Zielscheibe machen.
Regisseur Reinaldo Marcus Green setzt sein Biopic „Bob Marley: One Love“knapp vor dem Punkt an, an dem Marley und seine Frau Rita (Lashana Lynch) 1976 nur knapp einen Anschlag in ihrem Haus überleben. Die Parteien hatten sich an seinem geplanten Friedenskonzert gestört. Wo andere solche Momente für einen dramatischen Sprung zurück an den Anfang nutzen, interessiert sich Green für das Danach. Wie sehr hatte diese knappe Begegnung mit dem Tod die Reggae-Legende
JMarley inspiriert, nicht nur sein bestes Album, „Exodus“, im Londoner Exil aufzunehmen, sondern auch im April 1978 für das „One Love Peace Concert“nach Jamaika zurückzukehren?
So kippt der Film ohne allzu viele Einführungen in das komplexe politische Verhältnis der Karibik-Insel. Statt der StudioAufnahmen, die im zweiten Teil des Films ins Zentrum rücken, gibt es hier vor allem politische Diskussionen. Das mag den Film eingangs etwas unrund, sogar ein wenig trocken wirken lassen. Doch sobald sich Marley und seine Band, die Wailers, bei Produzent Chris Blackwell (James Norton) einfinden, entschleunigt sich das Tempo und lässt der Handlung mehr Raum zum Atmen.
Frieden, ein Ende der Kämpfe. Als Anhänger der Rastafari-Bewegung, die unter anderem vorgibt, man solle seinen Nächsten lieben, möchte Marley mittels seiner Platte die Menschen zusammenbringen. Er lebe diese Mission, meint auch seine Frau. Einer jener Momente im Film, die mit zu viel Messias-Symbolik aufgeladen sind. Doch im
Kern muss Marley lernen, seine Vergangenheit, die komplexe Identität als Kind einer schwarzen Mutter und eines weißen Kolonialherren, sowie die Hoffnung, die andere in ihn setzen, zu navigieren.
Dass das beizeiten gelingt, spricht für den Film. Ebenso die starke Darstellung von Hauptdarsteller Kingsley Ben-Adir. Doch so richtig an Fahrt gewinnt der Film letztlich nicht. Zu oft schert er inhaltlich aus, stützt sich auf hastige Rückblenden, auf zu viele nicht weiter ausgeführte Inhalte, wie Marleys einsetzende Krebserkrankung. Man mag viel über die Lebensphilosophie des Künstlers lernen. Aber der Film selbst bleibt bisweilen ein Enigma.