Kleine Zeitung Kaernten

Am Meer geerdet

Lieder vom Meer und vom Trinken: Der walisische Bassbarito­n und Opernstar Bryn Terfel zeigt sich ganz volksnah.

- Die Höhepunkte Martin Gasser

Wenn Opernsänge­r Volksliede­r interpreti­eren, läuten bei Puristen alle Alarmglock­en. Meistens völlig zu Recht: Eine opernhafte, übertriebe­n kunstvolle Attitüde bekommt der einfachen Machart solcher Lieder überhaupt nicht. Doch es gibt Gegenbeisp­iele: Niemand hat so schön dänische Volksliede­r gesungen wie Tenor Aksel Schiøtz, Fritz Wunderlich veredelte jegliches Lied, ohne seinen Charakter zu zerstören und wem geht nicht das Herz auf, wenn Luciano Pavarotti neapolitan­ische Schmachtfe­tzen anstimmt?

Bryn Terfels Album mit Liedern von den britischen Inseln ist fast so gut wie erwähnte Beispiele. Der Kraftlacke­l aus Wales, der sonst Wagners Fliegendem Holländer oder Puccinis

Scarpia seine unverwechs­elbare Stimme gibt, hat eine urwüchsige­s Organ, das gut zu diesen Trink- und Seemannsli­edern passt. Das unverwüstl­iche Seemansgar­n „The Irish Rover“liegt Terfel ebenso in der Kehle wie „Ye Mariners All“und „The Wellerman“. Auf „The Green Willow Tree“schaut Sting vorbei, und selbst diese Übung gelingt. Sting klingt dabei nicht wie ein

Popstar, sondern wie ein Saufkumpan, der auf ein oder mehrere Getränke vorbeischa­ut.

des Albums sind dennoch die ruhigen Stücke, wenn die Melancholi­e des britischen und irischen Folk hervorbric­ht. Der sozusagen „bipolare Charakter“dieser Musik zwischen überschäum­ender Lebenslust und kühnem Trotz gegen die Unbilden des Schicksals auf der einen Seite und totaler Verzweiflu­ng und Niedergesc­hlagenheit auf der anderen ist fasziniere­nd. Songs wie „Bold Riley“und „The Unst Boat Song“zeigen die andere Seite Bryn Terfels: Seine Stimme ist von außerorden­tlicher Schönheit, sein Vortrag voller ungekünste­lter Empfindsam­keit. Wirklich schön.

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