Am Meer geerdet
Lieder vom Meer und vom Trinken: Der walisische Bassbariton und Opernstar Bryn Terfel zeigt sich ganz volksnah.
Wenn Opernsänger Volkslieder interpretieren, läuten bei Puristen alle Alarmglocken. Meistens völlig zu Recht: Eine opernhafte, übertrieben kunstvolle Attitüde bekommt der einfachen Machart solcher Lieder überhaupt nicht. Doch es gibt Gegenbeispiele: Niemand hat so schön dänische Volkslieder gesungen wie Tenor Aksel Schiøtz, Fritz Wunderlich veredelte jegliches Lied, ohne seinen Charakter zu zerstören und wem geht nicht das Herz auf, wenn Luciano Pavarotti neapolitanische Schmachtfetzen anstimmt?
Bryn Terfels Album mit Liedern von den britischen Inseln ist fast so gut wie erwähnte Beispiele. Der Kraftlackel aus Wales, der sonst Wagners Fliegendem Holländer oder Puccinis
Scarpia seine unverwechselbare Stimme gibt, hat eine urwüchsiges Organ, das gut zu diesen Trink- und Seemannsliedern passt. Das unverwüstliche Seemansgarn „The Irish Rover“liegt Terfel ebenso in der Kehle wie „Ye Mariners All“und „The Wellerman“. Auf „The Green Willow Tree“schaut Sting vorbei, und selbst diese Übung gelingt. Sting klingt dabei nicht wie ein
Popstar, sondern wie ein Saufkumpan, der auf ein oder mehrere Getränke vorbeischaut.
des Albums sind dennoch die ruhigen Stücke, wenn die Melancholie des britischen und irischen Folk hervorbricht. Der sozusagen „bipolare Charakter“dieser Musik zwischen überschäumender Lebenslust und kühnem Trotz gegen die Unbilden des Schicksals auf der einen Seite und totaler Verzweiflung und Niedergeschlagenheit auf der anderen ist faszinierend. Songs wie „Bold Riley“und „The Unst Boat Song“zeigen die andere Seite Bryn Terfels: Seine Stimme ist von außerordentlicher Schönheit, sein Vortrag voller ungekünstelter Empfindsamkeit. Wirklich schön.