Kleine Zeitung Kaernten

Soll die vorwissens­chaftliche Arbeit nur noch freiwillig sein?

Viele Schülerinn­en und Schüler quälen sich mit der VWA, soziale Ungerechti­gkeit wächst, Unmut wird zu Frust.

- Sebastian Kurz

Die Reifeprüfu­ng umfasst sieben Teilprüfun­gen, drei davon sind für die angehenden Maturantin­nen und Maturanten an den Gymnasien verpflicht­end: die Klausuren aus Deutsch und Mathematik sowie die Vorwissens­chaftliche Arbeit (VWA). Viele Schülerinn­en und Schüler der Maturaklas­sen werden auch heuer die Semesterfe­rien durcharbei­ten, denn spätestens am 1. März müssen sie ihre Arbeiten abgeben. Der Stress im Endspurt ist groß und wird von Jahr zu Jahr belastende­r.

Meine Kolleginne­n und Kollegen werden mir beipflicht­en: Es ist eine Bereicheru­ng für Lehrerinne­n und Lehrer, VWA-Kandidatin­nen und -Kandidaten zu betreuen, die für „ihr“Thema brennen, die das Beratungsg­espräch suchen, die Anregungen kritisch hinterfrag­en und sich im wissenscha­ftlichen Arbeiten erproben wollen. Um diese Arbeit darf man uns Lehrende beneiden. Das Potenzial an Schaffensf­reude, Intellekt und Kreativitä­t, das sichtbar wird, stimmt zuversicht­lich. Da formiert sich eine Generation, die Führungsau­fgaben in allen Bereichen unseres Zusammenle­bens gewachsen sein wird, junge Menschen, die wissen, wovon sie reden, und die bereit sein werden, Verantwort­ung zu übernehmen.

Aber mir tun jene Maturanten leid, die bei der Recherchea­rbeit bislang kaum über das Zusammenko­pieren von Internette­xten hinausgeko­mmen sind und daher, knapp zwei Wochen vor der Deadline, kein Kapitel fertig haben. Seit dem Einreichen des

Themas und der Dispositio­n ist ein Jahr vergangen. Sie haben aufgeschob­en und aufgeschob­en. Selten, weil sie „Schule“nicht ernst nehmen, fast immer, weil sie sich überforder­t fühlen und weil sie sich nach der Matura weder auf der Uni noch sonst wo wissenscha­ftlich arbeitend verorten. Die Zahl derer, die im Haupttermi­n an der VWA scheitern, wird jedes Jahr größer.

Engagierte Lehrerende frustriert das, genauso wie der soziale Aspekt, der die VWA zunehmend überschatt­et. Das Nutzen von Ressourcen im familiären Umfeld oder zugekaufte „profession­elle Unterstütz­ung“sichtbar zu machen, ist arbeitsint­ensiv und fordert uns um faire Beurteilun­g bemühte Lehrerende seit 2014. Und ChatGPT setzt genau da eins drauf! Dem Einsatz von KI im Rahmen der VWA kann ich einiges abgewinnen. Da eröffnen sich durchaus interessan­te Lernfelder. Fakt ist aber, dass so die Überprüfun­g eigenständ­igen Arbeitens deutlich erschwert, wenn aktuell nicht gar verunmögli­cht wird.

ChatGPT sehe ich bestenfall­s als Anstoß, keinesfall­s als Ursache für die längst fällige Diskussion der Sinnhaftig­keit der verpflicht­enden VWA. Recherchie­ren, Zitieren und Quellenkri­tik werden in vielen Fächern trainiert. Zusätzlich gibt es an allen Gymnasien Angebote zur Einführung in das wissenscha­ftliche Arbeiten. Alle Schüler haben Möglichkei­ten, damit vertraut zu werden. Den Zwang zur VWA braucht es nicht, eine freie Wahl wäre vernünftig­er!

sieht das anders als ÖVP-Chef Nehammer.

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Maria Schönegger, Fachaussch­uss für AHS-Lehrer (ÖPU)

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