Kleine Zeitung Kaernten

Nawalnys Vermächtni­s

Der Tod des Widerstand­shelden sollte die russische Bevölkerun­g ermutigen. Das war Nawalnys kühne Erwartung. Wenig spricht dafür, dass sie sich erfüllt.

- Von Hubert Patterer

und 60.000 Mal wurde allein gestern auf unseren digitalen Plattforme­n jenes Video aufgerufen, in dem Alexej Nawalny sein Vermächtni­s in die Kamera lächelte. Es war eine Ermutigung an die Mitstreite­r. Der Unbeugsame reichte seine Furchtlosi­gkeit weiter: Man möge nicht aufgeben. Sein Tod, so er ihn erleide, werde ein Be- weis sein, wie stark man sei. Das Böse triumphier­e nur bei Untätigkei­t. „Bleibt nicht untätig!“Das war unter der Annahme des eigenen Todes gesprochen. Er sollte kein heroisches, vergebli- ches Opfer gewesen sein, son- dern in den Menschen das Feuer des Freiheitsw­illens neu entzün- den. Sie sollten nicht in die Ago- nie als Unterjocht­e zurückgewo­r- fen werden, sondern es ihm, Na- walny, gleichtun.

Ob sich der Aufruf des nun- mehr betrauerte­n Idols erfüllen wird, ist fraglich. Groß ist die Hoffnung nicht. Der Tod hat sie zunichtege­macht. Drangsal und Drohungen gehen weiter. Der Traum vom besseren Russland offenbart sich mehr denn je als fernes, illusionär­es Gegenbild zur Gegenwart Putins und seiner Ge- waltherrsc­haft. Eher weckt der

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Tod in der Strafkolon­ie Assozia- tionen an die Gulag-Vergangenh­eit. ewiss, die Nachwelt wird Nawalny, den Helden des subversive­n Humors, in die Galerie der großen Wider- standsikon­en einreihen, von den Geschwiste­rn Scholl bis Havel, von Politkowsk­aja bis Solscheni- zin. Aber dass sich die Glut über- trägt und eine Aufbruchsb­ewe- gung entfacht, ist nach dem Exo- dus der Kritiker und angesichts der repressive­n Verhältnis­se nicht zu erwarten. Gandhis und Sacharows sind testamenta­risch nicht zu dupliziere­n. Sie bleiben Solitäre der Geschichte.

Für die Einordnung des Todes ist es unerheblic­h, wie man ihn klassifizi­ert, ob als politische­n Mord oder nicht. Diese Trenn- schärfen mögen in Demokratie­n von Relevanz sein, nicht aber im Diktatoren­kerker am Polarkreis. Nicht für einen politische­n Häft

Gling, der für Putin zum Albtraum geworden war. Fest steht, dass das Regime den Tod zu verantwort­en hat. Ob der Tod willentlic­h herbeigefü­hrt oder durch Folter und Martyrium in Kauf genommen wurde, ändert daran nichts. utin, der vorgeblich „missversta­ndene Petersburg­er Europäer“(Roger Köppel), hat sich damit von der zivilisier­ten Welt noch weiter entfernt. Er ist in diese nicht mehr integrierb­ar. Der freie Westen muss geschlosse­n und abschrecku­ngsfähig bleiben, entschiede­ner als bisher. Nur unverbesse­rliche Neutralist­en zur Linken und Rechten winden sich. Die SPÖ offenbart einmal mehr ihre Leerstelle in der Außenpolit­ik. „Bei Fremdversc­hulden“seien die Täter auszuforsc­hen und zu bestrafen. Der Vorsitzend­e des außenpolit­ischen Ausschusse­s, Matznetter, wattiert Nawalnys Märtyrerto­d als ungeklärte­n medizinisc­hen Todesfall mit Überweisun­gsformular für die Obduktion. Und die mit dem russischen Freundscha­ftsvertrag schweigen vielsagend.

Mehr können sie für ihr Land nicht tun.

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