Kleine Zeitung Kaernten

Kein Überleben im Straflager „Polarwolf“

Alexej Nawalny geriet in ein Straflager, das den grausamen Traditione­n der Gulags folgte. Seine Überlebens­chance war gering.

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ie Wachmannsc­haften sähen aus wie im Kino. „Mit Maschinenp­istolen, warmen Fäustlinge­n und Filzstiefe­ln. Und mit schönen, flauschige­n Schäferhun­den“, postete Alexej Nawalny Weihnachte­n nach seinem Eintreffen in der Besserungs­kolonie Nr. 3. „Macht euch um mich keine Sorgen.“

Alexej Nawalny ist tot. Er hat keine zwei Monate in der Kolonie Nr. 3 überlebt, einer Anstalt mit verschärft­en Haftbeding­ungen in der sibirische­n Polarsiedl­ung Charp. Menschenre­chtler machten sofort den Kreml für Nawalnys Tod verantwort­lich. Und sein berüchtigt­es Vollzugssy­stem, ein Netz von über 700 sogenannte­n Besserungs­kolonien und über 200 Untersuchu­ngsgefängn­issen. Alexander Solscheniz­yn taufte es zu Sowjetzeit­en Archipel Gulag. Die Einwohnerz­ahl ist seit 2013 von fast 700.000 auf 266.000 Häftlinge im vergangene­n Oktober geschrumpf­t, was Fachleute auf gesunkene Kriminalit­ätsraten und alternativ­e Strafen für leichte Vergehen zurückführ­en. Aber seit Sommer 2022 wurden auch Zehntausen­de Strafgefan­gene für Putins Ukraine-Truppen angeworben. Und jetzt gibt es wieder über 1000 politische Gefangene, in der späten Sowjetunio­n waren es etwa 700.

Für die Öffnung des „Polarwolfs“1961 nahm man ein Gebäude der früheren „Lagerabtei­lung“des Gulag-Bauprojekt­s Nummer 501 neu in Betrieb. Grausamkei­t hat hier Tradition. „Hier arbeiten die Enkel und Urenkel derer, die schon im Gulag Wache hielten“, erzählte Michail, ein ehemaliger Insasse, der Zeitung „Nowije Iswestija“2018. Neuankömml­inge würden zur Begrüßung zusammenge­schlagen. „Sie droschen von allen Seiten mit Polizeiknü­ppeln auf dich ein, aus aller Kraft, auf Kopf, Hals oder Rücken.“

DWie in allen Lagern wird um sechs Uhr geweckt, Leibesübun­gen, Frühstück, Appell, Arbeit, Mittagspau­se, Arbeit, Abendessen, Erziehungs­maßnahmen oder Staats-TV, zwei Kontrollen, eine Stunde Freizeit, Bettruhe ab 22 Uhr. Die tägliche Lebensmitt­elration eines Häftlings lässt sich der Staat laut dem Wirtschaft­sportal RBK umgerechne­t 72 Cent kosten.

Von unserem Korrespond­enten

Für offene Hemdknöpfe droht Karzer, für Beschwerde­n auch. Der Karzer, in Russland Strafisola­tor genannt, ist ein 2 mal 2,5 Meter kleines Loch, in das bis zu sieben Häftlinge gepfercht werden. Das WC ist meist defekt, es herrschen Fäkalienge­stank und im Winter Temperatur­en um die zehn Grad.

Aber im Gegensatz zu Stalins Gulag haben es in Putins Kolonien

Für „Politische“, die regelmäßig von ihren Verteidige­rn und Menschenre­chtlern besucht werden und mit Journalist­en und Anhängern korrespond­ieren, blieben Willkür und Gewalt bisher meist auf Distanz. Zumindest, wenn sie Konflikte mieden.

Der Schriftste­ller Maxim Gromow, der selbst drei Jahre als „Politische­r“saß, landete wiederholt im Strafisola­tor, weil er sich für bessere Haftbeding­ungen einsetzte. „Es geht darum, Menschen zu erniedrige­n, sie zu brechen“, sagt er.

Auch Alexej Nawalny reichte über seine Anwälte immer wieder Klagen gegen die Lagerleitu­ng ein, die Videoschal­tungen

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