Leiche unter Verschluss
EU weist Putin in Erklärung Schuld am Tod des Oppositionellen zu. Russische Justiz verhängt Strafen gegen Trauernde.
Chemische Untersuchungen“– so begründen die russischen Behörden, dass sie die Leiche des in Haft ums Leben gekommenen Kremlkritikers Alexej Nawalny noch mindestens 14 Tage unter Verschluss halten wollen, wie Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Montag auf X (vormals Twitter) bekannt gab. Nawalnys Witwe, Julia Nawalnaja, warf den Behörden vor, abzuwarten, bis keine Spuren des Nervengifts Nowitschok mehr nachzuweisen seien. Sie werde das Werk ihres Mannes fortführen und für ein freies Russland kämpfen. Menschenrechtler und Wegbegleiter des AntiKorruptionskämpfers gehen davon aus, dass Nawalny gezielt getötet wurde.
In einer gemeinsamen Erklärung warfen die 27 EU-Staaten dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, Schuld am Tod seines politischen Gegners zu tragen. Noch deutlicher hatte sich zuvor unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geäußert. Sie geht von einer gezielten Ermordung Nawalnys aus. Finnland
und Schweden haben aufgrund von Nawalnys Tod die russischen Botschafter einbestellt. Nach langem Schweigen äußerte sich auch Ex-US-Präsident Donald Trump: Er vermied Beileidsbekundungen oder eine Schuldzuweisung, sondern zog einen bizarren Vergleich zwischen Nawalny und sich selbst.
Viele Menschen legten an offiziellen Denkmälern für die Opfer politischer Gewalt Blumen nieder. Die Behörden reagierten mit Strenge, in Eilverfahren wurden mehr als 200 Strafen gegen die an spontanem Gedenken teilnehmenden Trauernden verhängt.
Nach wie vor Rätsel geben die letzten Stunden Nawalnys vor seinem Tod auf. Medienberichten zufolge soll es bereits am Donnerstag, dem 15. Februar, im Lager zu Tumulten gekommen sein. Briefe, die die „New York Times“veröffentlichten, zeigen, dass sich Nawalny bis zuletzt Gedanken um internationale Politik gemacht haben soll, und haben dabei keine Anzeichen psychischer Schwäche erweckt.