Aus dem Vollen schöpfen
Das Bundesheer bekommt endlich neues Gerät, doch die Mitarbeiter laufen ihm davon. Auf dieses Problem hat die Ministerin noch keine Antworten gefunden.
Allmählich werden auch die letzten Zweifler im Bundesheer ruhig. Die Jahre der Mangelwirtschaft, einem im internationalen Vergleich lächerlichen Budget geschuldet, gehören endgültig der Vergangenheit an. Den vielen Ankündigungen folgen nach und nach auch Taten: Die ersten neuen Hubschrauber sind ein- satzbereit, doppelt so viele wie ursprünglich geplant stehen auf der Bestellliste. Österreichs klei- ne Flotte an Kampf- und Schüt- zenpanzern wird generalüber- holt und „kampfwertgestei- gert“, wie es Militärs so treffend ausdrücken. Dasselbe gilt für den Restbestand an Fliegerab- wehrkanonen. Gestern wurde die Tinte unter den nächsten Milliardenauftrag gesetzt: Bis 2032 wächst die Flotte der hei- mischen Pandur-Mannschafts- transportpanzer auf eine militä- risch relevante Größe an.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die zu Beginn ihrer Amtszeit oft noch sehr un- beholfen wirkte, hat sich damit viel Respekt und Anerkennung bei der Truppe erarbeitet. Auch wenn ihr die Verschärfung der geopolitischen Lage in den Bud- getverhandlungen schwergewichtige Argumente lieferte, muss man erstens solche Steige- rungen einmal auf den Boden bringen, zweitens muss der Be- amtenapparat mit dem neuen Geldsegen auch richtig umge- hen können. Das Verteidigungs- ministerium zieht nun jährlich transparent Rechenschaft über die Verwendung der Mittel.
Unterhält man sich dieser Ta- ge mit Soldaten unterschied- lichsten Ranges, vernimmt man neben Wertschätzung für die in die Gänge kommende Nachrüs- tung (der Begriff „Aufrüstung“wird bewusst vermieden) immer stärker die Sorge, dass für das neue Gerät die Menschen fehlen, die es auch bedienen werden. Das Personalproblem, mit dem der gesamte öffentli- che Dienst zu kämpfen hat, scheint sich auf das Bundesheer noch gravierender niederzu- schlagen. Die Verdienstmöglich- keiten sind im Vergleich zur Pri- vatwirtschaft nicht konkurrenzfähig, die Drop-out-Quote ist auch aufgrund nicht erfüllter Erwartungen im Steigen.
Darauf wird auch die Ministerin regelmäßig angesprochen, zufriedenstellende Antworten blieben Tanner und ihr Stab bisher aber schuldig. Da wird lieber auf den „freiwilligen Grundwehrdienst“für Frauen, das angehobene Kost- und Grundentgelt für Rekruten, die Einführung der „Teiltauglichkeit“verwiesen. Alles Maßnahmen, die ja zu begrüßen sind, aber an der Grundproblematik nichts ändern. Ein großer Wurf kann wohl nur mit einer grundlegenden Überarbeitung des Dienstrechts gelingen, das allerdings liegt nicht allein im Bereich des Verteidigungsministeriums. ohl aber muss das Heer jenen Startvorteil deutlich besser nützen, den es gegenüber allen Arbeitgebern in diesem Land hat. Die allgemeine Wehrpflicht spielt ihm gut die Hälfte aller jungen männlichen Staatsbürger für eine sechs Monate lange Probezeit zu. Kein anderer kann so aus dem Vollen schöpfen wie das Heer. Warum es am Ende dann doch nicht reicht, sollte den Verantwortlichen zu denken geben.
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