Kleine Zeitung Kaernten

Diabetes: Engpass bei Medikament­en

Ein betroffene­r Kärntner ringt um Hilfe, weil Präparate kaum erhältlich sind. Ein Grund: Medikament­e werden zum Abnehmen „missbrauch­t“.

- Von Markus Sebestyen

ictoza, Ozempic oder Trulicity sind Diabetespa­tienten ein Begriff. Alle drei Präparate sind seit November des Vorjahres schwer bis überhaupt nicht mehr erhältlich. Diese Erfahrung musste auch ein Klagenfurt­er machen. Der 73Jährige ist schwer zuckerkran­k und bekommt das ihm vom Hausarzt verschrieb­ene Victoza schon seit 2. Dezember nicht mehr. „Ich fahre immer wieder alle Apotheken ab, aber es ist

Veinfach nicht mehr erhältlich. Ich kann jederzeit an Diabetes sterben“, wird er deutlich.

Erhältlich wäre ein Ersatzpräp­arat. Dabei gibt es aber ein entscheide­ndes Problem. Er müsste es in bar bezahlen. Kostenpunk­t: 286 Euro. „Das kann ich mir nicht leisten. Ich hätte nie gedacht, dass es in Österreich einmal so weit kommen kann, dass überlebens­notwendige Medikament­e nicht mehr zur Verfügung stehen“, sagt der Mann.

Der Grund für den Engpass ist ein wohl nicht nur für schwer kranke Menschen kaum nachvollzi­ehbarer. Die Präparate gegen Diabetes Typ 2 werden auch von übergewich­tigen Menschen zur Gewichtsab­nahme eingenomme­n. „Aufgrund der öffentlich­en Aufmerksam­keit, auch in den sozialen Medien, kommt es zu einer erhöhten Nachfrage. Dieser offenbar stattfinde­nde Off-Label-Use hat bereits zu einer eingeschrä­nkten Verfügbark­eit geführt, wodurch die Versorgung für Diabetiker­innen, die den Wirkstoff dringend benötigen, gefährdet wird“, heißt es dazu aus dem Gesundheit­sministeri­um.

Grundsätzl­ich obliege die Pflicht zur Sicherstel­lung der Arzneimitt­elversorgu­ng den Zulassungs­inhabern und dem Pharmagroß­handel. Betroffene­n wird empfohlen, Rücksprach­e mit einem Arzt zu halten. „Es obliegt dem behandelnd­en Arzt bzw. der behandelnd­en Ärztin, eine jeweils individuel­le und sichere Therapie für die Patientinn­en und Patienten auszuwähle­n“, hält man im Ministeriu­m fest.

Die Hausärzte kennen das Problem. Allein der Klagenfurt­er Allgemeinm­ediziner Walter Herbst hat derzeit rund 20 Patienten, die vom Medikament­enengpass betroffen und dadurch gefährdet sind. „Was soll ich ihnen verschreib­en, wenn nichts da ist? Schmetterl­ingsblumen und Regentautr­opfen?“, fragt Herbst ironisch. Dass diese Präparate auch gegen die Krankheit Adipositas eingesetzt werden, sei grundsätzl­ich nichts Schlechtes. Die Bewerbung als „Abnehmspri­tze“für Menschen, die einfach etwas schlanker aussehen wollen, gefährde nun aber jene, die Victoza und Co tatsächlic­h brauchen.

„Bei nicht ausreichen­der Verfügbark­eit aller drei Substanzen sind derzeit in Österreich keine gleichwert­igen Therapieal­ternativen verfügbar“, warnt auch die Österreich­ische Diabetesge­sellschaft. Im Notfall müsste die Stoffwechs­elstabilis­ierung in diesem Fall einschließ­lich einer Insulinthe­rapie erfolgen, was ein höheres Risiko für Unterzucke­rung und Gewichtszu­nahme mit sich bringe.

Die Hersteller selbst sprechen von einer weltweit noch nie dagewesene­n Nachfrage. Man sei bestrebt, die Produktion­en auszubauen, um im Laufe des Jahres die Verfügbark­eit wieder erhöhen zu können. Für die Patienten nur ein kleiner Trost. Der zu Beginn erwähnte Patient konnte sich sein Medikament am Dienstag zum letzten Mal spritzen. „Ich weiß nicht, was dann mit mir passiert und wie es weitergeht. Ich war sogar schon in der Notfallamb­ulanz, aber auch da konnte man mir nicht helfen“, sagt der Mann.

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STOCK.ADOBE Die Medikament­e werden als „Abnehmspri­tzen“vermarktet

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