Diabetes: Engpass bei Medikamenten
Ein betroffener Kärntner ringt um Hilfe, weil Präparate kaum erhältlich sind. Ein Grund: Medikamente werden zum Abnehmen „missbraucht“.
ictoza, Ozempic oder Trulicity sind Diabetespatienten ein Begriff. Alle drei Präparate sind seit November des Vorjahres schwer bis überhaupt nicht mehr erhältlich. Diese Erfahrung musste auch ein Klagenfurter machen. Der 73Jährige ist schwer zuckerkrank und bekommt das ihm vom Hausarzt verschriebene Victoza schon seit 2. Dezember nicht mehr. „Ich fahre immer wieder alle Apotheken ab, aber es ist
Veinfach nicht mehr erhältlich. Ich kann jederzeit an Diabetes sterben“, wird er deutlich.
Erhältlich wäre ein Ersatzpräparat. Dabei gibt es aber ein entscheidendes Problem. Er müsste es in bar bezahlen. Kostenpunkt: 286 Euro. „Das kann ich mir nicht leisten. Ich hätte nie gedacht, dass es in Österreich einmal so weit kommen kann, dass überlebensnotwendige Medikamente nicht mehr zur Verfügung stehen“, sagt der Mann.
Der Grund für den Engpass ist ein wohl nicht nur für schwer kranke Menschen kaum nachvollziehbarer. Die Präparate gegen Diabetes Typ 2 werden auch von übergewichtigen Menschen zur Gewichtsabnahme eingenommen. „Aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit, auch in den sozialen Medien, kommt es zu einer erhöhten Nachfrage. Dieser offenbar stattfindende Off-Label-Use hat bereits zu einer eingeschränkten Verfügbarkeit geführt, wodurch die Versorgung für Diabetikerinnen, die den Wirkstoff dringend benötigen, gefährdet wird“, heißt es dazu aus dem Gesundheitsministerium.
Grundsätzlich obliege die Pflicht zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung den Zulassungsinhabern und dem Pharmagroßhandel. Betroffenen wird empfohlen, Rücksprache mit einem Arzt zu halten. „Es obliegt dem behandelnden Arzt bzw. der behandelnden Ärztin, eine jeweils individuelle und sichere Therapie für die Patientinnen und Patienten auszuwählen“, hält man im Ministerium fest.
Die Hausärzte kennen das Problem. Allein der Klagenfurter Allgemeinmediziner Walter Herbst hat derzeit rund 20 Patienten, die vom Medikamentenengpass betroffen und dadurch gefährdet sind. „Was soll ich ihnen verschreiben, wenn nichts da ist? Schmetterlingsblumen und Regentautropfen?“, fragt Herbst ironisch. Dass diese Präparate auch gegen die Krankheit Adipositas eingesetzt werden, sei grundsätzlich nichts Schlechtes. Die Bewerbung als „Abnehmspritze“für Menschen, die einfach etwas schlanker aussehen wollen, gefährde nun aber jene, die Victoza und Co tatsächlich brauchen.
„Bei nicht ausreichender Verfügbarkeit aller drei Substanzen sind derzeit in Österreich keine gleichwertigen Therapiealternativen verfügbar“, warnt auch die Österreichische Diabetesgesellschaft. Im Notfall müsste die Stoffwechselstabilisierung in diesem Fall einschließlich einer Insulintherapie erfolgen, was ein höheres Risiko für Unterzuckerung und Gewichtszunahme mit sich bringe.
Die Hersteller selbst sprechen von einer weltweit noch nie dagewesenen Nachfrage. Man sei bestrebt, die Produktionen auszubauen, um im Laufe des Jahres die Verfügbarkeit wieder erhöhen zu können. Für die Patienten nur ein kleiner Trost. Der zu Beginn erwähnte Patient konnte sich sein Medikament am Dienstag zum letzten Mal spritzen. „Ich weiß nicht, was dann mit mir passiert und wie es weitergeht. Ich war sogar schon in der Notfallambulanz, aber auch da konnte man mir nicht helfen“, sagt der Mann.