„Anti-Heimatroman? Nein, wirklich nicht!“Zur Person
Die Kärntnerin Julia Jost über ihren Debütroman „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“.
Frau Jost, wie kamen Sie zum Schreiben?
Die Sehnsucht, mich mit Sprache auszudrücken, war schon früh da. Erste Publikationen entstanden am Kopierer meiner Eltern daheim, meine Volksschullehrerin hat meine Erzähllust erkannt und mich gefördert. Theaterregie habe ich eigentlich studiert, um auf der Theaterbühne meine Texte zu veröffentlichen, was ich dann nie getan habe.
JULIA JOST: Sie sind ungemein vielseitig, haben neben Regie kurz auch Philosophie und Bildhauerei studiert, waren Regieassistentin bei Bettina Hering in St. Pölten und bei Luc Perceval in Hamburg. Jetzt veröffentlichen Sie Ihr erstes Buch, mit dem Sie vor fünf Jahren den Kelag-Preis beim BachmannWettbewerb gewonnen haben. Ende April kommt Ihr Stück „Rom“im Volkstheater in Wien auf die Bühne. Was bedeutet Ihr Debütroman für Sie?
Ich fühle mich sehr zu Hause in der Sprache, die ich mir erarbeitet habe, man fasst da schon so mit den Händen in die Erde, damit bin ich sehr glücklich. Der Sound kommt aus mir, ist sehr authentisch für mich.
Was halten Sie von Zuschreibungen wie Anti-Heimatroman, Dorfgeschichte und Ähnliches in den ersten Rezensionen? Fühlen Sie sich verstanden?
Ich bin froh, dass Sie das fragen. Da fühle ich mich richtig ungerecht behandelt! Wer das Buch liest, findet Naturbeschreibungen darin, die Verbundenheit der Ich-Erzählerin zu Landschaft ist so stark, wie kann man da von Antiheimatliteratur reden? Ich liebe meine Charaktere, das sind alles Figuren mit ihrer Gebrochenheit, Zerrissenheit, aber auch mit ihrer Hingebung. Da steckt große Wertschätzung und Zuneigung drin.
Arbeiten Sie sich nicht so wie Josef Winkler an Ihrer Heimat ab?
geb. 1982 in St. Veit, studierte u. a. Theaterregie in Deutschland und Bildhauerei in Wien. Regieassistenzen (u. a. Thalia Theater Hamburg). 2019 Kelag-Preis beim Bachmann-Wettlesen.
Ich schätze Josef Winkler sehr. Natürlich gibt es Parallelen. Aber es ist eine andere Zeit und ein anderer Blickwinkel. Das Instrument ist dasselbe, man schlägt es halt unterschiedlich an. Was in meinem Buch erzählt wird, das sind ja geheilte Wunden, das Kind ist ein starkes, handlungsfähiges Kind, es ist witzig und altklug. Es schaut unter dem Lkw oder unter dem Tisch hervor auf die Menschen. Winkler sitzt mit am Tisch, er ist einfach näher dran.
Das Aufwachsen der kindlichen Ich-Erzählerin in den 1990er-Jahren in Kärnten war politisch geprägt von Jörg Haider. Dieser Atmosphäre widmen Sie sich ausführlich ...
Die Zeit, in der wir heute leben, ist eine Zeit, in der der Rechtsruck in Europa sehr stark ist, diese Toleranzen wurden mit dem Rechtspopulismus in den 1990er-Jahren ausgebildet. Es waren die Sager von Haider, durch die das salonfähig geworden ist. Auch darum geht es in diesem Buch, weil mich die politische Dimension interessiert. Aber Anti-Heimat? Nein, wirklich nicht!
Sie haben viele Kärntner Mundartausdrücke in Ihrem Text verwendet.
Landschaft und Mundart, das gehört ja alles zusammen. Ich
habe versucht, das wohl zu dosieren, weil ich finde, dass Sprache viel Atmosphäre erzeugen kann.
Wie geht es weiter? Schlägt das Pendel in Richtung Theater oder Bücher aus?
Ich fühle mich in der Prosa-Welt sehr wohl, mein erstes Buch veröffentlicht zu haben, ist wie ein Nachhausekommen. Es ist eine schwierige Beziehung, die ich mit dem Theater habe. Einerseits glaube ich sehr daran, was man mit Theater erreichen kann. Andererseits sind die Arbeitsbedingungen komplizierter. Solange es diese verkrusteten hierarchischen Strukturen und diese Machtkämpfe gibt, hat das Theater nix mit der Welt zu tun, in der ich leben möchte.
Ihr zweiter Roman ist schon in Arbeit? Worum wird es gehen?
Ja, einige Figuren tauchen wieder auf, die Ich-Erzählerin ist inzwischen eine Jugendliche geworden. Und: Das wird wieder kein Anti-Heimatroman, das sage ich so oft wie möglich!