Kleine Zeitung Kaernten

Ein Kämpfer, kein Heiliger

Dem inhaftiert­en Wikileaks-Aufdecker Julian Assange droht die Auslieferu­ng an die USA: Was wiegt Ringen um Wahrheit, wo kippt der Staatsappa­rat Menschenre­chte?

- Von Thomas Golser

eine Person ist nicht frei von Bruchstell­en und Fragezeich­en, seine Psyche offenbar hochkomple­x. Trotzdem darf, nein, muss man sich die Frage stellen: Wie kann es sein, dass Julian Assange, der USKriegsve­rbrechen im Irak und in Afghanista­n öffentlich­keits- wirksam auf seiner Plattform Wikileaks enthüllte, seit fünf Jahren im gefürchtet­en Londo- ner Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh einsitzen muss?

Manfred Nowak, Menschenre­chtsexpert­e und Ex-Sonderbe- richtersta­tter der UN, pocht zu Recht auf die Bedeutsamk­eit von Investigat­ivjournali­smus und nennt das Bestrafen von Whistleblo­wern wie Assange im ORF-Interview „völlig absurd“.

Die Schicksale bzw. das Wir- ken von Assange und dem aller Wahrschein­lichkeit nach ermor- deten Kremlkriti­ker Alexej Na- walny lassen sich nicht verglei- chen: Letzterem ging es darum, das in Russland installier­te Re- gime aufzubrech­en, die Deka- denz im Oligarchen­sumpf rund um den Kreml-Obersten zu ent- larven. Am Ende bezahlte er den mutigen, für ihn unumgängli- chen Kampf für Demokratie und gegen das von Paranoia, Hass

Sthomas.golser@kleinezeit­ung.at

und Niedertrac­ht angetriebe­ne Panzerschi­ff Putin mit dem Le- ben. Assange deckte indes ver- brecherisc­he Machenscha­ften auf militärisc­her bzw. US-Regie- rungsebene im Krieg auf.

Unter Millionen Wikileaks- Dokumenten fand sich auch das Video „Collateral Murder“, das zeigt, wie US-Soldaten im Irak aus einem Hubschraub­er heraus Zivilisten töten. Assange gefährdete durch die Nennung von Namen aber auch Personen im US-Geheimdien­st, was einer der Hauptvorwü­rfe gegen ihn ist. Dazu könnte der Australier 2016 indirekt der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n zu- träglich gewesen sein. Das nagt am Opferstatu­s – obgleich seine fortgesetz­t unmenschli­che Be- handlung empört. Folgt jetzt die Rache von Staats wegen?

Assange begleitet seit Jahren die Angst vor einer möglichen Auslieferu­ng in die Vereinigte­n Staaten. Er sei ein terroristi­scher Spion, Wikileaks nichts anderes als ein „nichtstaat­licher, feindliche­r Geheimdien­st“, klagen US-Militärs und Nachrichte­ndienste an. Die Vorwürfe reichen bis ins Jahr 2010 zurück.

Im Unterschie­d zu Russland – Nawalny wurde zur Endstation Polarkreis verbracht – folgen die USA zumindest demokratis­chen Prinzipien. Allerdings drohen dem 52-Jährigen dort bis zu 175 Jahre Haft. Muss der schwer Angeschlag­ene den Rest seiner Tage in einem US-Gefängnis verbringen, könnte ihn das ebenfalls das Leben kosten. ssange grub beharrlich und fand reichlich. Man muss ihn nicht zum Helden der Grauzone verklären, doch lebenslang als Rechnung für das Aufdecken menschenre­chtswidrig­er Verbrechen wäre eine verheerend­e Botschaft.

Man stelle sich die wahre Frage: Das Ringen um und das Vorlegen von Wahrheit sind im Journalism­us höchste Güter – sollte das Aufdecken von Verbrechen in dieser verqueren Welt nicht auch insgesamt ein Auftrag sein? Vergehen, für die die Kriegsverb­recher bis heute nicht vor ein US-Gericht gestellt wurden, wohlgemerk­t.

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