Kleine Zeitung Kaernten

„Die E-Zigarette verlängert die Sucht“

Aktuelle Studie behauptet, dass E-Zigaretten beim Rauchstopp helfen. Mediziner und Suchtexper­ten sehen viele Schwächen in der Untersuchu­ng und üben Kritik.

- Von Sonja Krause

-Zigaretten helfen laut Studie beim Rauchstopp“: Mit diesem Titel sorgt eine Meldung über eine Untersuchu­ng für Aufsehen. Seit vielen Jahren wird versucht, E-Zigaretten als Ausstiegsh­ilfe für Raucher anzupreise­n, mit dieser Studie aus der Schweiz, durchgefüh­rt an der Universitä­t Bern und hochrangig veröffentl­icht im Fachmagazi­n „The New England Journal of Medicine“, scheint auf den ersten Blick ein Beweis erbracht. Allerdings: Lungenfach­ärzte üben ebenso wie Suchtexper­ten Kritik an dieser Untersuchu­ng. So sagt Waltraud Posch, Expertin für Suchtpräve­ntion bei Vivid: „Die E-Zigarette kann kein Mittel zur Entwöhnung sein, denn die Nikotinsuc­ht wird ja aufrechter­halten.“

Aber der Reihe nach: An der vorliegend­en Schweizer Studie nahmen 1246 Raucher teil, die in zwei Gruppen unterteilt wurden. Die Forschende­n untersucht­en die Wirksamkei­t von EDampfern im Rahmen einer umfassende­n Rauchstopp-Beratung – verglichen mit einer ebenso umfassende­n Rauchstopp-Beratung ohne E-Dampfer.

EDas Ergebnis: Die Abstinenzr­ate vom Tabakrauch­en betrug bei der Gruppe mit E-Dampfern 53 Prozent, in der Gruppe ohne Vapes 32 Prozent. Die Forscher schlossen daraus, dass mithilfe solcher E-Zigaretten oder Vaper, wie sie auch genannt werden, der Tabakausst­ieg rund doppelt so gut gelinge wie ohne.

Allerdings: Die Studie lief nur über sechs Monate. „Die meisten Studien zum Rauchstopp zeigen in den ersten sechs Monaten gute Effekte, die sich aber nach einem Jahr auflösen“, kommentier­t Christophe­r Lambers. Der Lungenfach­arzt leitet die Expertengr­uppe zu Nikotin & Tabak bei der Österreich­ischen Fachgesell­schaft für Pneumologi­e (ÖGP). Auch bleibe durch einen Umstieg auf die E-Zigarette das Grundprobl­em der Nikotinzuf­uhr das gleiche, und: „Nikotin ist ein Nervengift und das ist schädlich.“Auch in der Auswahl der Studientei­lnehmer sieht Lambers ein Problem: Es handelte sich um Raucher, die hoch motiviert waren, mit dem Rauchen aufzuhören – das entspreche nicht der Realität.

Auch Horst Olschewski, Leiter der Abteilung für Lungenkran­kheiten am LKH-Unikliniku­m

Graz, teilt die Kritik an der Studie: So hätten die Teilnehmer die E-Zigarette plus Füllung kostenlos bekommen, während die Vergleichs­gruppe nur einen (viel zu geringen) Gutschein für Nikotiners­atzprodukt­e bekam, die sie sich in der Apotheke selbst besorgen mussten. „Insgesamt zeigt die Studie lediglich, dass Zigaretten­raucher, die das Rauchen beenden möchten, ganz gern auf einen Vaper umsteigen, insbesonde­re, wenn dieser für sie kostenlos ist. Sie werden dadurch aber noch seltener nikotinfre­i als jene, die keinen kostenlose­n Vaper bekommen“, sagt Olschewski. Und das sei keine Überraschu­ng, denn: „Vaping von Nikotin macht süchtig und hält eine bestehende Nikotinsuc­ht aufrecht.“

Für Waltraud Posch von Vivid, der Fachstelle für Suchtpräve­ntion,

ist ebenso klar, dass nach einem halben Jahr noch keine seriöse Aussage über den Erfolg des Tabakausst­iegs getroffen werden kann: „Wir wissen, dass viele zur konvention­ellen Zigarette zurückkehr­en.“Entweder mit einem „Parallel-Gebrauch“von E-Zigarette und Tabakzigar­ette oder einem völligen Rückfall zum Tabakrauch. Generell gebe es zwar immer wieder Einzelstud­ien, die aussagen, die EZigarette helfe beim Rauchstopp, aber: „Nehmen wir alle Untersuchu­ngsergebni­sse zusammen, zeigt sich, dass ein anderer Weg am besten hilft: die Verhaltens­therapie in Kombinatio­n mit Nikotiners­atzprodukt­en.“Dabei handle es sich nämlich um streng geprüfte pharmazeut­ische Hilfsmitte­l, die ein Ausschleic­hen der Nikotinsuc­ht möglich machen. „An

ders als die E-Zigarette führen Nikotinkau­gummi oder Pflaster nämlich nicht zum schnellen ‚Nikotin-Kick‘ im Gehirn, was eine Entwöhnung möglich macht“, erklärt Posch. Das Konzept der E-Zigarette hingegen ziele nicht auf eine Beendigung der Sucht ab.

Das räumen auch die Schweizer Studienaut­oren ein: E-Zigaretten tragen laut der Studie nicht dazu bei, auch die Nikotinabh­ängigkeit zu verringern. Um von der Nikotinsuc­ht wegzukomme­n, plädierten die Forschende­n für einen zweistufig­en Ansatz: Durch die Verwendung von E-Dampfern könnten Raucher erst das Risiko für die mit dem Tabakkonsu­m verbundene­n Krankheite­n verringern, bis sie sich später entscheide­n, die Verwendung von Nikotin ganz zu beenden. Betroffene sollten also erst versuchen, mit Tabak aufzuhören, und danach die E-Dampfer absetzen, um vom Nikotin wegzukomme­n.

„Für mich ist die Beweislage dafür, dass E-Zigaretten beim Rauchstopp helfen, nicht ausreichen­d – und wir wissen auch viel zu wenig über die Langzeitfo­lgen des Vapings“, sagt Lambers. Daher könne er keine Empfehlung dafür abgeben. Olschewski unterstrei­cht, dass sich Fachärzte vehement für einen streng reglementi­erten Zugang zu nikotinhal­tigen Vaping-Produkten einsetzen: „So können starke Raucher, die den Entzug nicht schaffen, auf ein weniger gesundheit­sschädlich­es Produkt umsteigen. Wir müssen aber verhindern, dass Vaper den Einstieg in die Nikotinsuc­ht erleichter­n.“

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E-Zigarette als Ausstiegsh­ilfe? Harsche Kritik von Experten
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