Kleine Zeitung Kaernten

Der Anfang eines Abstiegs

Der Schuldspru­ch erschütter­t endgültig das aufwändig kultiviert­e Saubermann-Image von Ex-Kanzler Kurz. Seine Folgen dürften aber noch deutlich weitreiche­nder sein.

- Von Christina Traar

er ehemalige Bundeskanz­ler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz lässt für die hinter ihm stehenden Prozessbeo­bachterinn­en und -beobachter keine Regung erkennen, als er die Urteilsver­kündung des Richters verfolgt. Dieser befindet ihn für schuldig, im Ibiza- Untersuchu­ngsausschu­ss 2022 falsche Angaben unter Wahr- heitspflic­ht gemacht zu haben. Acht Monate bedingt lautet das Strafmaß, gegen das sein Vertei- diger im Anschluss an die Ur- teilsbegrü­ndung umgehend Rechtsmitt­el anmeldet. Das Ur- teil ist damit nicht rechtskräf­tig und die Sache für Kurz wei- terhin nicht ausgestand­en. Glei- ches gilt für seinen früheren Ka- binettsche­f Bernhard Bonelli, der zu sechs Monaten bedingt verurteilt wird.

Es ist ein Urteil, das zahlreiche Rechtsexpe­rten, Prozessbeo­b- achter und die Angeklagte­n selbst überrascht. Falsche Aus- sagen unter Wahrheitsp­flicht sind nicht leicht nachzuweis­en, auch die Argumentat­ion der Verteidige­r, dass die Angeklag- ten aus Angst falsche Angaben gemacht haben, klang nach ei- nem möglichen Freispruch. Die Folgen, die ein solcher für die ge

Christina.Traar@kleinezeit­ung.at

Dlebte Wahrheitsp­flicht in künf- tigen Untersuchu­ngsausschü­s- sen bedeutet hätte, wären schwerwieg­end gewesen. Das Angstmotiv hätte wohl einigen aktiven und ehemaligen Politi- kern als Entschuldi­gung für von der Wahrheit abweichend­e Ant- worten gedient.

Das aufwändig kultiviert­e Saubermann-Image von Kurz, der einen „neuen Stil“verspro- chen hatte, wird durch das Urteil schwer erschütter­t. Ein damit verbundene­r Reputation­sver- lust ist jedoch noch eine ver- gleichswei­se verschmerz­bare Folge, wenn man bedenkt, was diese – wenn auch nur vorläufige – Gerichtsen­tscheidung noch bedeutet. Dass der Richter im Ur- teil ausdrückli­ch die Aussagen von Ex-ÖBAG-Chef und Haupt- belastungs­zeuge Thomas Schmid als glaubwürdi­g und nachvollzi­ehbar würdigt, ver- schafft diesem den nötigen Rü- ckenwind auf den letzten Metern im langwierig­en Rennen um den heiß ersehnten Kronzeugen­status.

Im sogenannte­n BeinschabT­ool-Verfahren, in dem die Ermittler schweren Vorwürfen von frisierten und in Boulevardm­edien platzierte­n Umfragen nachgehen, die Kurz‘ Einfluss in der ÖVP ausbauen sollten, hatte Schmid seinen ehemaligen Intimus erneut schwer belastet und der Staatsanwa­ltschaft volle Kooperatio­n bei der Aufklärung zugesicher­t. Als Belohnung würde ihm als Kronzeuge Straffreih­eit in Form einer Diversion winken. Dass ihm nun auch ein Richter in einem – von manchen Beobachter­n als Aufwärmpro­zess bezeichnet­en – Verfahren den Stempel „glaubwürdi­g“aufdrückt, verheißt nichts Gutes für den Ex-Kanzler und seine Vertrauten. ie Kurz-Erzählung von umgedeutet­en KussEmoji-Chats und der Rache eines enttäuscht­en Anhängers bricht mit dem Urteil vorerst zusammen. Er zeigt sich dennoch optimistis­ch, dass die nächste Instanz in seinem Sinne entscheide­n wird. Bis dahin ist die heikle Kronzeugen­frage jedoch längst geklärt.

D

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria