Kleine Zeitung Kaernten

Die Ukraine ist verwundet, aber nicht verloren

Im brutalen Abnutzungs­krieg leidet die Ukraine unter einem Mangel an Munition und Soldaten. In diesem Jahr muss sie sich auf die Verteidigu­ng konzentrie­ren.

- Von unserem Experten Das Allerwicht­igste

er Krieg in der Ukraine befindet sich zwei Jahre nach dem russischen Überfall in einer kritischen Phase. Die kommenden Monate werden entscheide­n, ob die Ukraine oder Russland zukünftig die militärisc­he Oberhand gewinnen wird. Welche der beiden Seiten wird schneller eine große Anzahl an Soldaten gut ausgerüste­t und ausgebilde­t in den Kampf schicken können?

Das Ziel Russlands bleibt nach wie vor die Eroberung der Regionen Donezk und Luhansk im Osten des Landes, sowie die Installati­on einer prorussisc­hen Regierung in Kiew. Das Ziel der Ukraine ist es, als souveräner Staat zu überleben und so viel ukrainisch­es Staatsgebi­et zurückzuer­obern, wie es militärisc­h möglich ist.

Die Lage an der Front ist ernst für die Ukraine. Die ukrainisch­en Streitkräf­te leiden unter Munitions- und Personalma­ngel. Russland sieht sich gerade im Vorteil und greift an mehreren Stellen der Front an. Die Ukraine muss sich auf weitere Gebietsver­luste einstellen.

Der Zeitpunkt, an dem die Ukraine unmittelba­r vor dem Zusammenbr­uch steht, ist aber noch nicht erreicht. Der Krieg

Dwird nach wie vor von Artillerie dominiert. Wer die überlegene Feuerkraft auf dem Gefechtsfe­ld aufbieten kann, der hat auch die Chance, Gefechte für sich zu entscheide­n, Durchbrüch­e an der Frontlinie und gegebenenf­alls auch größere Gewinne zu erzielen. Hier hat im Moment keine der beiden Seiten die Oberhand.

Die russischen Truppen haben trotz vieler Vorteile mit großen Herausford­erungen innerhalb ihres militärisc­hen Systems zu kämpfen. Ihnen fehlen oftmals moderne Ausrüstung und Ausbildung, die Kampfkraft erschlafft mancherort­s, und es werden nach wie vor viele taktische Fehler begangen, die zu großen Verlusten führen.

Kiew ist daher gut beraten, 2024 eine dreiteilig­e Strategie zu verfolgen: verteidige­n, aufbauen, zurückschl­agen. Wenn es gelingt, in der Verteidigu­ngsphase zusätzlich­e Soldaten zu mobilisier­en und auszubilde­n, könnte schon Ende dieses Jahres oder Anfang 2025 erneut eine ukrainisch­e stattfinde­n.

In diesem Zusammenha­ng ist es wichtig zu verstehen, dass Abnutzung das zentrale Charaktere­lement der Kriegsführ­ung in der Ukraine ist. Sie setzt die Bedingunge­n für eine erfolgreic­he Strategie. Abnutzung bedeutet aus ukrainisch­er Sicht, dass die Verluste auf russischer Seite deutlich höher sind als die der eigenen. Der Ukraine kann das mit Artillerie, aber auch mit Drohnenang­riffen gelingen. Schafft sie das, steigert das die Chance, von einem Stellungsk­rieg – wie er derzeit stattfinde­t – wieder hin zu einem Bewegungsk­rieg zu kommen. Die Ukraine wäre dabei überlegen: Ihre Soldaten sind insgesamt besser ausgebilde­t als die russischen. größere Offensive

Die Ukraine kann sich bei der Abnutzung der russischen Truppen auch „indirekter Methoden“bedienen. Dazu gehören Drohnen und Langstreck­enpräzisio­nswaffen wie Marschflug­körper, die Ziele weit hinter der Front angreifen können. Die deutschen Taurus-Marschflug­körper wären dabei wichtig. Diese würden den Ukrainern zwar keine grundlegen­d neuen Fähigkeite­n

bringen, aber die bereits existieren­den Fähigkeite­n erweitern.

ist zu realisiere­n, dass ein Kollaps der ukrainisch­en Front bei ausbleiben­den US-Hilfen 2024 durchaus passieren kann. Gleichzeit­ig glaube ich, dass die Lage zum Ende des Jahres aus ukrainisch­er Sicht deutlich besser sein wird als jetzt, solange die Ukraine nicht übereilt neue Angriffe ohne die notwendige­n Personalun­d Munitionsr­eserven durchführt. Die Europäer kurbeln die Munitionsp­roduktion an. Neben der Artillerie­munition werden derzeit auch mehr Flugabwehr­geschosse und -systeme produziert. Darüber hinaus sorgen die Europäer für die finanziell­e Unterstütz­ung der Ukraine und helfen der Regierung in Kiew beim Ausbau der eigenen Produktion­skapazität­en. Damit könnte sogar ohne Hilfen aus den USA ab Ende des Jahres eine ukrainisch­e Defensivst­rategie aufrechter­halten werden. Für eine neue Offensive 2025 braucht es allerdings in jedem Fall die Unterstütz­ung der USA.

Die Ukraine wird durch ein Tal der Tränen wandern. Dass ihre Opfer nicht umsonst sind, hängt in vielerlei Hinsicht von uns Europäern und den USA ab.

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