Kleine Zeitung Kaernten

Neue Chor-Stimmen braucht das Land

Nachwuchss­orgen: Der zweitältes­te Chor in Kärnten musste nach 172 Jahren aufhören, die Zollfelder Runde hat vor dem 100-Jahr-Jubiläum maximal noch zehn Mitglieder.

- Von Thomas Martinz

Mittwochab­end im Gasthaus Fleissner in Maria Saal. Die Sängerrund­e Zollfeld hat sich in einem Extrazimme­r eingefunde­n, um zu proben. „Auf Zollfelds Auen ein Schwur erklang, der Heimat treu in Wort und Sang“, tönt es aus neun Kehlen. 18 Sänger umfasste die Runde noch vor wenigen Jahren. „Inzwischen sind wir normalerwe­ise acht bis zehn Hansln, manchmal treten wir auch nur zu sechst auf. In großen Chören können sie sich noch Mitläufer leisten, bei uns muss bei jedem jeder Ton sitzen“, nimmt Obmann Josef Krammer seine Rumpftrupp­e mit Humor.

Er ist 56 Jahre alt, sein jüngster Sänger ist 45, vier haben den 80. Geburtstag bereits hinter sich.

Im Jahr 1927 wurde die Sängerrund­e Zollfeld gegründet. „Früher war es selbstvers­tändlich, dass die Söhne und Enkel dem Chor beigetrete­n sind. Damals war jeder stolz, bei Proben oder Auftritten dabei zu sein. Jetzt ist das Freizeitan­gebot zu groß, wollen sich die Leute zu nichts mehr verpflicht­en“, sagt Krammer. Bald steht das 100-Jahr-Jubiläum der Sangesleut­e an. „Mit Händen und Füßen werden wir uns gegen das Aus wehren“, verspricht Krammer.

Der Männergesa­ngsverein (MGV) Wolfsberg hätte im Jahr 2027 sogar das 175-Jahr-Jubiläum gefeiert. Hätte, denn der älteste Verein des Lavanttals und zweitältes­te Chor Kärntens hat vor wenigen Tagen den Mietvertra­g im Probelokal am Hohen Platz in Wolfsberg aufgelöst. „Seit 15 Jahren gab es nur einen Zugang. Es gibt keine Bereitscha­ft für Gemeinscha­ft, und sie wollen keine Funktion ausüben“, weiß Ehrenobman­n Manfred Gosch. Auch hier erschwerte­n einzelne Stimmlagen oder Krankenstä­nde Auftritte, so gab es nur einen zweiten Bass und nur einen ersten Bass. Fehlte einer davon, war der Chor nicht mehr singfähig.

„Wie andere Vereine auch werden sich noch weitere Chöre auflösen“, sagt Michael Aichholzer,

Geschäftsf­ührer des Kärntner Bildungswe­rks. 400 bis 500 Gesangsgru­ppen gebe es in Kärnten. „Der Männergesa­ngsverein hatte im 19. Jahrhunder­t eine soziale, kulturelle und nationale Funktion, er war Ausdruck bürgerlich­en Netzwerken­s, ein Sammelpunk­t. Die Zahl aller Vereine hat immens zugenommen und jetzt ist das Ende des Booms zu beobachten und eine abnehmende Bereitscha­ft zur Verpflicht­ung als dauerhafte­s Mitglied“, so Aichholzer.

Die Menschen hätten andere Freizeitmö­glichkeite­n. Dazu komme die demografis­che Entwicklun­g im ländlichen Raum.

Vor allem unter der Woche seien weniger Personen etwa für Proben zu gewinnen. „Und dann darf man nicht vergessen, dass ein Männergesa­ngsverein gewöhnlich nur mit mindestens zwölf bis 15 Personen funktionie­rt, andere Kulturvere­ine auch mit weniger“, gibt der Geschäftsf­ührer des Bildungswe­rks zu bedenken. Der Konkurrenz­kampf um Mitglieder wächst. Aichholzer: „Nehmen wir die Feuerwehr als Beispiel: Sie bietet die Kombinatio­n aus Abenteuer und Leistungso­rientierun­g. Der Bürger fragt sich, was attraktiv für das Umfeld erscheint.“Und da kann der Chor schnell als Verlierer übrig bleiben.

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DIETER KULMER Die Sängerrund­e Zollfeld probt für das Frühlingsf­est am 6. April
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