Neue Chor-Stimmen braucht das Land
Nachwuchssorgen: Der zweitälteste Chor in Kärnten musste nach 172 Jahren aufhören, die Zollfelder Runde hat vor dem 100-Jahr-Jubiläum maximal noch zehn Mitglieder.
Mittwochabend im Gasthaus Fleissner in Maria Saal. Die Sängerrunde Zollfeld hat sich in einem Extrazimmer eingefunden, um zu proben. „Auf Zollfelds Auen ein Schwur erklang, der Heimat treu in Wort und Sang“, tönt es aus neun Kehlen. 18 Sänger umfasste die Runde noch vor wenigen Jahren. „Inzwischen sind wir normalerweise acht bis zehn Hansln, manchmal treten wir auch nur zu sechst auf. In großen Chören können sie sich noch Mitläufer leisten, bei uns muss bei jedem jeder Ton sitzen“, nimmt Obmann Josef Krammer seine Rumpftruppe mit Humor.
Er ist 56 Jahre alt, sein jüngster Sänger ist 45, vier haben den 80. Geburtstag bereits hinter sich.
Im Jahr 1927 wurde die Sängerrunde Zollfeld gegründet. „Früher war es selbstverständlich, dass die Söhne und Enkel dem Chor beigetreten sind. Damals war jeder stolz, bei Proben oder Auftritten dabei zu sein. Jetzt ist das Freizeitangebot zu groß, wollen sich die Leute zu nichts mehr verpflichten“, sagt Krammer. Bald steht das 100-Jahr-Jubiläum der Sangesleute an. „Mit Händen und Füßen werden wir uns gegen das Aus wehren“, verspricht Krammer.
Der Männergesangsverein (MGV) Wolfsberg hätte im Jahr 2027 sogar das 175-Jahr-Jubiläum gefeiert. Hätte, denn der älteste Verein des Lavanttals und zweitälteste Chor Kärntens hat vor wenigen Tagen den Mietvertrag im Probelokal am Hohen Platz in Wolfsberg aufgelöst. „Seit 15 Jahren gab es nur einen Zugang. Es gibt keine Bereitschaft für Gemeinschaft, und sie wollen keine Funktion ausüben“, weiß Ehrenobmann Manfred Gosch. Auch hier erschwerten einzelne Stimmlagen oder Krankenstände Auftritte, so gab es nur einen zweiten Bass und nur einen ersten Bass. Fehlte einer davon, war der Chor nicht mehr singfähig.
„Wie andere Vereine auch werden sich noch weitere Chöre auflösen“, sagt Michael Aichholzer,
Geschäftsführer des Kärntner Bildungswerks. 400 bis 500 Gesangsgruppen gebe es in Kärnten. „Der Männergesangsverein hatte im 19. Jahrhundert eine soziale, kulturelle und nationale Funktion, er war Ausdruck bürgerlichen Netzwerkens, ein Sammelpunkt. Die Zahl aller Vereine hat immens zugenommen und jetzt ist das Ende des Booms zu beobachten und eine abnehmende Bereitschaft zur Verpflichtung als dauerhaftes Mitglied“, so Aichholzer.
Die Menschen hätten andere Freizeitmöglichkeiten. Dazu komme die demografische Entwicklung im ländlichen Raum.
Vor allem unter der Woche seien weniger Personen etwa für Proben zu gewinnen. „Und dann darf man nicht vergessen, dass ein Männergesangsverein gewöhnlich nur mit mindestens zwölf bis 15 Personen funktioniert, andere Kulturvereine auch mit weniger“, gibt der Geschäftsführer des Bildungswerks zu bedenken. Der Konkurrenzkampf um Mitglieder wächst. Aichholzer: „Nehmen wir die Feuerwehr als Beispiel: Sie bietet die Kombination aus Abenteuer und Leistungsorientierung. Der Bürger fragt sich, was attraktiv für das Umfeld erscheint.“Und da kann der Chor schnell als Verlierer übrig bleiben.