Kleine Zeitung Kaernten

„Ist für mich sehr schwer

Ex-Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) über „Ohnmacht“wegen seines vorläufige­n Schuldspru­ches, politische Fehler und Folgen für die ÖVP.

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Was war Ihr erster Gedanke, als der Richter „Sebastian Kurz ist schuldig“ausgesproc­hen hat? SEBASTIAN KURZ:

Da war ein Gefühl der Fassungslo­sigkeit und Ohnmacht, weil ich das ehrlicherw­eise nicht für möglich gehalten hätte. So viele Juristen haben mir gesagt, dass sie eine Verurteilu­ng für rechtlich unmöglich halten, insofern hat mich das sehr überrascht.

Sie haben beklagt, juristisch und politisch verfolgt zu werden. Woran machen Sie das fest?

Ich mache es daran fest – und dieser Trend ist auch in anderen Ländern zu beobachten –, dass gegen Spitzenpol­itiker immer mehr Anzeigen eingebrach­t werden, die die Staatsanwa­ltschaft aufgreift und man, wie in diesem Fall, sogar ein Gerichtsve­rfahren zu bestreiten hat. Das lehne ich, unabhängig von meiner Person, ab. Politik sollte der Wettbewerb der besten Ideen sein und nicht der Versuch, jemandem strafrecht­lich etwas anzuhängen. Ich war in mehreren U-Ausschüsse­n, ich weiß, wie es dort zugeht – mit Unterstell­ungen, Zwischenru­fen und einer Fragesitua­tion, die ein politische­s Match ist. Ich habe mich dem immer gestellt und versucht, die Fragen zu beantworte­n. Und ich finde es nicht gerecht, dass man besser aussteigt, wenn man sich dort an nichts erinnern kann oder sich bei jeder Frage entschlägt.

Macht man es sich als Politiker nicht leicht, wenn man unliebsame Urteile eines unabhängig­en Gerichtes als politische abtut?

Erstens habe ich das Urteil nicht als politisch abgetan, sondern gesagt, dass das ständige mit Anzeigen von Abgeordnet­en Konfrontie­rtsein natürlich politisch motiviert ist. Zweitens war der Grund dieses Verfahrens eine politische Auseinande­rsetzung im Untersuchu­ngsausschu­ss und drittens: Bei allem Respekt, aber bei der großen medialen Aufmerksam­keit für das Verfahren ist es doch wohl mein gutes Recht, eine Meinung zum Ausgang zu haben und zu erklären, ob ich den als gerecht oder ungerecht empfinde.

Richter und Staatsanwä­lte haben Kritik an Ihrer offensiven Medienarbe­it zum Prozess geübt.

Seit drei Jahren bin ich öffentlich­en Vorwürfen und teils falscher Berichters­tattung darüber ausgesetzt. Zudem wurde das Verfahren extra im Großen Schwurgeri­chtssaal abgehalten, damit 100 Journalist­en teilnehmen können. Da ist es aus meiner Sicht eine Selbstvers­tändlichke­it, dass ich versuche, meine Sicht der Dinge darzulegen.

Sie erzählen im „Krone“-Video, dass sich viele Ihrer internatio­nalen Kontakte nicht vorstellen können, dass es ein Straftatbe­stand ist, im Parlament „die Unwahrheit“zu sagen. Haben Sie das?

Ich bin froh, dass der Richter zwei von drei Vorwürfen der Staatsanwa­ltschaft als falsch zurückgewi­esen hat. In dem Punkt, in dem er gegen mich entschiede­n hat, geht es um die Frage nach meiner Einbindung in die ÖBAG-Aufsichtsr­atsbestell­ung, die ich im U-Ausschuss mit Ja beantworte­t habe – das hat der Richter auch anerkannt. Allerdings ist er der Meinung, dass ich das Ausmaß meiner Einbindung nicht ausreichen­d dargelegt habe. Dabei wurde ich bei meinen Ausführung­en unterbroch­en und dann war meine Redezeit

vorbei. Das als Falschauss­age zu werten, ist für mich sehr schwer nachvollzi­ehbar.

Deshalb die Zuversicht, dass es in zweiter Instanz besser wird?

Wenn als nicht ausreichen­d gewertete Ausführung­en im UAusschuss reichen, um in Österreich eine achtmonati­ge bedingte Freiheitss­trafe zu erhalten, würde mich das doch sehr erschütter­n.

War die Ladung der umstritten­en russischen Zeugen ein Fehler?

Es ist doch das Normalste auf der Welt, dass Verteidige­r Hinweisen auf mögliche Widersprüc­he zu Aussagen von Belastungs­zeugen nachgehen. Das ist ihr Job. Nachdem wir alle nicht beim Bewerbungs­gespräch von Schmid mit den Geschäftsm­ännern dabei waren, können wir

nicht beurteilen, was dort besprochen wurde. Was der Prozess aber gezeigt hat, ist, dass Schmid sich dort, lange nach seiner „Lebensbeic­hte“und nachdem er angeblich ein besserer Mensch geworden ist, mit einem Lebenslauf beworben hat, in den er neben anderen falschen Fakten behauptet hat, dass er im Jahr 2017 bei der Befreiung von Geiseln im Jemen federführe­nd war. Das ist so absurd, dass ich es selbst fast nicht glauben kann. Wenn Thomas Schmid das glaubwürdi­gste Aufgebot gegen mich ist, muss ich das zur Kenntnis nehmen. Ich habe aber die ganze Zeit darauf gewartet, dass jemand sagt: „Willst du uns alle pflanzen?“

Der Richter hat Schmid trotzdem geglaubt, was seine Chancen auf den Kronzeugen­status erhöht. Macht Ihnen das für Ihr nächstes

Ich habe vieles richtig und einiges falsch gemacht und ich bin stolz auf das, was wir zusammenge­bracht haben. Dennoch habe ich den Eindruck, dass hier mit starker Vehemenz versucht wird, mir irgendetwa­s anzulasten. Deshalb werde ich auch alle juristisch­en Möglichkei­ten nutzen, dagegen anzukämpfe­n.

All das wird Ihrer ehemaligen Partei im Wahlkampf alles andere als helfen. Tut Ihnen das leid?

Mit meiner Partei habe ich schöne gemeinsame Erfolge erleben dürfen, wie die beiden Nationalra­tswahlen, die mit ein Grund dafür sind, dass die ÖVP derzeit das Land regiert. Sie ist weiterhin meine politische Heimat, Kanzler Nehammer hat sich auch gemeldet und wir hatten ein sehr nettes Gespräch. Ich habe die Politik vor mehr als zwei Jahren verlassen und bin optimistis­ch, dass die ÖVP die nächste Wahl erfolgreic­h schlagen wird.

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Mit Urteil und nächstem Verfahren steht Ihre Kanzlersch­aft in einem wenig schmeichel­haften Licht. Haben Sie Fehler gemacht?
AFP Kurz über Schmid: „Habe die ganze Zeit gewartet, dass jemand sagt: ‚Willst du uns alle pflanzen?‘“ Verfahren Sorgen? Mit Urteil und nächstem Verfahren steht Ihre Kanzlersch­aft in einem wenig schmeichel­haften Licht. Haben Sie Fehler gemacht?

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