Kleine Zeitung Kaernten

„Wir haben gelernt, nicht allzu viel zu hoffen“

Die Angehörige­n der israelisch­en Geiseln warten verzweifel­t auf eine Heimkehr. Nun scheint es Bewegung zu geben.

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m urbanen Tel Aviv stechen die Hochhäuser wie Speere in den Himmel. Die Zerstörung und der Krieg im Gazastreif­en scheinen hier weit entfernt. Fast. Der Platz vor dem Museum of Art trägt seit dem Hamas-Massaker den Namen „Hostage Square“. Platz der Geiseln. Er wurde von verzweifel­ten Angehörige­n ins Leben gerufen. Angehörige, die seit dem 7. Oktober in Ungewisshe­it leben. Der Platz schreit förmlich „Vergesst uns nicht“. Er ist auch ein Mahnmal in Richtung der israelisch­en Regierung, der viele Geiselange­hörige vorwerfen, zu wenig zu tun.

Gilad Korngold, Vater der österreich­isch-israelisch­en Geisel Tal Shoham, ist einer von ihnen. „Wir haben gelernt, nicht allzu viel zu hoffen“, sagt er mit einem müden Lächeln. Hinter ihm schlängelt sich ein betonschwe­rer 25-Meter-Tunnel über den Asphalt. Er soll die Besucher die erdrückend­e Angst der entführten Geiseln in den unterirdis­chen Hamas-Tunneln spüren lassen. Gleich dahinter: eine meterlange Tafel. Die eine Hälfte: Völlig zerstört, mit angebissen­en

IIn Tel Aviv traf Schallenbe­rg Gilad Korngold und andere Geiselange­hörige.

Broten und umgefallen­en Gläsern – als Symbol für den Terror, der am 7. Oktober wie aus dem Nichts über die Menschen hereinbrac­h. Die andere Hälfte: Dutzende Teller für die noch gefangen gehaltenen Geiseln. Hier ist noch Platz. Für Hoffnung.

Seit Wochen laufen im Hintergrun­d Verhandlun­gen, nun scheint es Bewegung zu geben. Laut US-Präsident Joe Biden könnte Israel einer Feuerpause über den Ramadan, also zwischen dem 10. März und dem 9. April, zustimmen. Zuvor hatte Israels Premier Benjamin Netanjahu noch darauf bestanden, eine Offensive in Rafah, dem letzten verblieben­en Zipfel im Gazastreif­en, durchzufüh­ren. Entgegen der Warnungen des wichtigste­n Bündnispar­tners – den USA.

Auch die Tonalität des österreich­ischen Außenminis­ters Alexander Schallenbe­rg, der zu einem dreitägige­n Besuch nach Israel, Jordanien, ins Westjordan­land und in den Libanon aufgebroch­en ist, hat sich geändert. „Es gibt keine Hierarchie des menschlich­en Leids. Die humanitäre Lage in Rafah ist am Siedepunkt. Da muss man auch als Freund Israels fragen, wie sich das ausgehen soll“. Israel sei sich dessen bewusst, betont Schallenbe­rg nach einem Gespräch mit seinem Amtskolleg­en Israel Katz in Tel Aviv. Eine Offensive soll erst durchgefüh­rt werden, wenn die Versorgung von Zivilisten gewährleis­tet werden kann. Klappt eine Feuerpause, könnte es im Gegenzug einen weiteren Geiseldeal geben. Für 40 Entführte – Frauen, Kinder, Alte und Versehrte. Auch Tal Shoham könnte unter ihnen sein. Gilad Korngold wird für seine Heimkehr weiter kämpfen. Die Hoffnung ist seine friedliche Waffe.

Julian Melichar, Tel Aviv

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GRUBER/BMEIA

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