Gute Laune in Moskau
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht offen über Bodentruppen in der Ukraine: Statt Russland abzuschrecken, hat er damit die Europäer verschreckt.
an hat das Bild noch in Erinnerung: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sitzt im Winter 2022 in Moskau am endlos langen Tisch mit Wladimir Putin; der russische Präsident lügt Macron ins Gesicht, er werde die Ukraine nicht angreifen, nur um wenig später Richtung Kiew zu marschieren. Sehr lange hatte Macron auf den Dialog mit Putin gesetzt – auch, als die Osteuro- päer längst vor dessen Radikali- sierung warnten. Heftig war in den letzten Wochen die Kritik an Frankreich, zu wenig Waffen nach Kiew zu schicken. Und jetzt auf einmal das: Beim Son- dergipfel in Paris stellte Macron die Möglichkeit der Entsendung westlicher Bodentruppen in die Ukraine in den Raum: „Wir wer- den alles tun, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnt“, er- klärte Macron. Es gebe heute zwar keinen Konsens darüber, Bodentruppen zu entsenden. Doch: „Man kann nichts aus- schließen.“
Der Aufschrei am Tag danach war enorm – aber nicht in Mos- kau, sondern in Berlin, Wien und anderen Städten Europas. Kommt für uns nicht infrage, so die beinahe einhellige Meinung.
Mnina.koren@kleinezeitung.at
Was war in Macron gefahren, seine Verbündeten derart zu verschrecken?
Die militärische Lage in der Ukraine hat sich verdüstert. Russland kann auf Waffenhilfe aus dem Iran und Nordkorea set- zen, auch China stärkt Putin den Rücken. Ziel des Gipfels sei es gewesen, so Macron, zu demons- trieren, dass der Westen „fest entschlossen, hoch motiviert und engagiert ist, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen“, hieß es aus dem Élysée. In Paris wurde offenbar beschlossen, Munition für die Ukraine auch außerhalb Europas zu kaufen. Und man darf davon ausgehen, dass Ma- cron auch mit dem Wort „Boden- truppen“eines wollte: Putin warnen, dass es – vielleicht – so kommen könnte. „Strategische Mehrdeutigkeit“nennt sich das Konzept, das auf Abschreckung abzielt, indem man den Gegner im Ungewissen lässt, was alles auf ihn zukommen könnte. Mit dem Ziel, einen Krieg zu verhindern oder einzudämmen. Ist Macron das gelungen? Sicher nicht. Erstens hätte er seinen Plan mit den Partnern absprechen müssen. Und zweitens könnte es sein, dass die Idee des mehrdeutigen Drohens in Demokratien einfach nicht umsetzbar ist. Weil in unserem System alle mitreden dürfen und ein Bluff nach außen nicht funktioniert, wenn alle herumdiskutieren. Entsprechend groß am Tag danach das Tohuwabohu in Europa. In Moskau wird man sich eher auf die Schenkel klopfen als sich fürchten. en Europäern dämmert, dass sie in einer schlechten Lage enden könnten, sollte Putin gewinnen und sich im Kriegführen bestärkt fühlen. Und in den USA ein Präsident ins Weiße Haus einziehen, der launig kundtat, er würde Putin ermuntern, europäische NatoLänder anzugreifen, wenn diese nicht mehr in ihre Verteidigung investieren. Auch wenn Macron mit dem Ansatz, entschlossen und strategisch autonom aufzutreten, recht hat: Über das Wie muss geredet werden. Was keiner braucht: Köpfe im Sand, Panik oder Bodentruppen.
D