„Beim Frieden gibt es keine Zwangsheirat“
Im Westjordanland wird trotz des Krieges hinter den Kulissen an der Zukunft gebaut.
ormalität im Chaos. So wie der Obstbauer, der in Ramallah am Straßenrand saftige Grapefruits verkauft, während hinter ihm eine Wiese im Müll versinkt. Normalität und Chaos, dafür steht Ramallah, die Hauptstadt der palästinensischen Gebiete. Während im Gazastreifen, wo die Hamas die Macht hat, weiter der Krieg tobt, wird hier, im Westjordanland, wo die gemäßigte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) an der Macht ist, hinter den Kulissen an der Zukunft gebaut.
Dafür braucht es auch Geld. Rund fünf Millionen Euro gibt Österreich jährlich für Entwicklungshilfe in den palästinensischen Gebieten aus, sagt Oliver Walter, Vizechef des Österreich-Büros in Ramallah. Sie fließt in Projekte im Westjordanland und – vor dem Hamas-Massaker – Gaza. Damit werden etwa Wasserversorgungsanlagen gebaut oder Programme für Geschlechtergleichheit finanziert. Ordnung inmitten des Chaos. Denn der Konflikt mit Israel schwebt stets wie ein Damoklesschwert über den Initiativen.
NDie Realität ist mühsam. Ein normales Leben ist im Westjordanland schwer zu führen. Schon der Weg zu einem neu geschaffenen Arbeitsplatz ist eine Herkulesaufgabe. Einem Palästinenser, der von Jenin leicht in die Hauptstadt pendeln könnte, stehen vier bis fünf Sicherheitskontrollen der israelischen Armee bevor. Eine Stunde Fahrtzeit kann so schnell zu einer vierstündigen Odyssee werden. Seit dem Gazakrieg kommen neue wirtschaftliche Hürden hinzu. Die Steuereinnahmen, die von Israel im Namen der palästinensischen Autonomiebehörde auf palästinensische Importe und Exporte erhoben werden, werden teils zurückgehalten.
Auf seiner Nahostreise besuchte Außenminister Alexander Schallenberg auch die palästinensische Regierung in Ramallah und Premier Mohammed Schtajjeh. Mit im Gepäck hatte er zusätzliche zehn Millionen Euro für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen, die gestern im Ministerrat beschlossen wurden. Das Geld aus dem Auslandskatastrophenfonds soll über das Rote Kreuz, UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation WHO verteilt werden. „Die Hamas muss raus, humanitäre Hilfe rein“, betont Schallenberg.
Schallenberg drängte gegenüber Schtajjeh auch darauf, dass die PA selbst Reformen umsetzt. Konkret nannte er palästinensische Schulbücher, die wegen antisemitischer Inhalte kritisiert werden. Die Angst in Ramallah sei insgesamt groß, nach einer Beruhigung des Konflikts in Vergessenheit zu geraten. Deshalb dränge man auch auf einen international aufoktroyierten Frieden. Diesem erteilte Schallenberg vorerst eine Absage, denn: „Beim Frieden gibt es keine Zwangsheirat“.