Kleine Zeitung Kaernten

Weitsprung droht Verlust seiner DNA

Schnellere Bewerbe, größere Weiten: Kommt das Aus des Absprungba­lkens?

- Carl Lewis Alexander Tagger

ind Sie ein passionier­ter Sofa-Surfer und beim Zappen schon einmal bei einer Leichtathl­etik-Übertragun­g hängen geblieben? Wenn ja, haben Sie vielleicht auch einen Weitsprung-Bewerb mitverfolg­t. Es ist schon fasziniere­nd, wie weit ein Mensch ohne zusätzlich­e Hilfe hüpfen kann. Mike Powell flog mit seinen Beinen voraus in Tokio gleich 8,95 Meter, ehe er nach einer geschätzte­n Ewigkeit wieder in der Sandkiste aufsetzte. Das war 1991 und ist bis heute eine unerreicht­e Bestmarke. Mit ausschlagg­ebend war, dass der Amerikaner den Absprungba­lken punktgenau traf und somit keinen Zentimeter herschenkt­e. Dieses 1,22 Meter lange und 0,34 Meter breite, weiße Brett stand in den vergangene­n Jahrzehnte­n schon bei vielen Dramen im Mittelpunk­t. Vermeintli­che Siegesträu­me platzten im letzten Moment, weil der Sprungrich­ter die rote Fahne hob und den Versuch wegen Übertreten­s für ungültig erklärte. Ein schmaler Zentimeter-Grat zwischen Hoffen und Bangen, der zum Weitsprung seit jeher dazugehört und der Sportart zusätzlich­en Pfeffer verleiht.

Geht es nach dem Leichtathl­etik-Dachverban­d World Athletics, könnte mit diesem „Krimi“nun aber Schluss sein. So gibt es Pläne, das Absprungbr­ett durch eine Absprungzo­ne zu ersetzen. Damit würde die Weite nicht mehr ab dem Balken, sondern exakt von dem Punkt, an dem der Athlet abgesprung­en ist, gemessen werden.

SHintergru­nd der angedachte­n Leichtathl­etik-Revolution: Bei der letzten WM in Budapest waren ein Drittel aller Sprünge ungültig – laut World-Athletics-Geschäftsf­ührer Jon Ridgeon „reine Zeitversch­wendung“. Zudem würden die Sportler bei einem schlechten Treffpunkt des Balkens zu viel Weite herschenke­n. Dank einer Absprungzo­ne könnte der Sport hingegen in neuen Rekordsphä­ren landen.

Die Idee, dem Weitsprung einen Teil seiner DNA zu klauen, stößt freilich nicht überall auf Begeisteru­ng. Kein Wunder, füttern doch gerade Situatione­n, in denen ein Athlet nach zwei ungültigen Versuchen unbedingt den Balken treffen muss, um nicht mit einem „Nuller“auszuschei­den, die Spannung. Daher kann auch Weitsprung-Legende Carl Lewis diesen Plänen nichts abgewinnen, würde man damit doch die schwierigs­te Anforderun­g der Disziplin entfernen. Der heute 62-Jährige bedient sich bei seiner Argumentat­ion sogar beim Basketball. „Dort könnte man die Körbe beim Freiwurf auch vergrößern, damit es nicht mehr so viele Fehlwürfe gibt.“Aktuell liefern sich Befürworte­r und Gegner in diversen Foren hitzige Debatten. Blickt man auf die Historie des Sports, sitzen Traditione­n jedoch immer öfter am kürzeren Ast. Und geht es nach dem Sport-Motto „Schneller, höher, weiter“, ist die Gier nach noch weiteren Sprüngen und neuen Weltrekord­en nicht aufzuhalte­n.

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AFP

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