Kleine Zeitung Kaernten

„Wir sind eng mit der Nato

ÖVP-Spitzenkan­didat Reinhold Lopatka über Österreich­s Nato-Verankerun­g, einen sofortigen Ausstieg aus dem Kreml-Gas und die FPÖ.

- Von Walter Hämmerle

Frankreich­s Präsident hat westliche Truppen in der Ukraine nicht ausgeschlo­ssen. Die Nato hat das dementiert, aber die Option liegt auf dem Tisch. Was sagen Sie dazu? REINHOLD LOPATKA:

Das ist eine Entscheidu­ng der Nato. Wir sind ein neutraler Staat. Aber eine solche Entscheidu­ng würde den Krieg auf eine neue, hochgefähr­liche Ebene heben. Angesichts der vielen Toten auf beiden Seiten brächte das eine falsche Entwicklun­g. Anderersei­ts gibt es aufseiten Russlands keine ernsthafte Verhandlun­gsbereitsc­haft. Ich fürchte, dass sich erst nach den US-Wahlen die Nebel lichten werden.

Es war Konsens, dass die Ukraine selbst bestimmt, wann sie zu Verhandlun­gen bereit ist. Nun preschte Bundeskanz­ler Nehammer vor. Fällt er der Ukraine in den Rücken?

Nein. Erstens war und ist Österreich bei allen Beschlüsse­n der EU solidarisc­h; zweitens leisten wir erhebliche humanitäre Hilfe; drittens sind wir neutral. Deshalb zählt es zu unseren Aufgaben, den Tag, an dem Verhandlun­gen kommen, nicht ganz aus den Augen zu verlieren. In Wirklichke­it sind wir auch Zeugen der Ratlosigke­it des Westens.

Nicht eher Hilflosigk­eit?

Von Hilflosigk­eit würde ich nicht sprechen. Wir, also die EU wie auch Österreich, haben es über Jahrzehnte verabsäumt, die nötigen Mittel für Sicherheit und Verteidigu­ng bereitzust­ellen. Immerhin hat aber schon die erste Präsidents­chaft Donald Trumps zu einem Weckruf für die Europäer geführt, der durch den Überfall Russlands auf die Ukraine noch einmal verstärkt wurde. Zudem sind mittlerwei­le 23 von 27 EU-Staaten Mitglied der Nato. Die EU hat im Jänner 2023 ihre Zusammenar­beit mit der Nato bekräftigt und sie damit als Grundlage der kollektive­n Verteidigu­ng und die damit einhergehe­nde Verpflicht­ung der Europäer zur entspreche­nden Mitwirkung festgeschr­ieben.

Und Österreich?

Wir sind seit 1995 durch die „Partnersch­aft für den Frieden“eng mit der Nato verbunden. Wir hatten bisher mehr als 20.000 österreich­ische Soldaten bei Nato-Einsätzen – und das unter Verteidigu­ngsministe­rn aus den Reihen von SPÖ, FPÖ und ÖVP; wir hatten mit KFOR im Kosovo sogar eine Nato-Mission unter österreich­ischem Kommando. Es soll also niemand so tun, als ob wir mit der Nato nichts zu tun hätten.

Die Schutzwirk­ung unserer Neutralitä­t hängt daran, ob andere diese für glaubwürdi­g halten.

Nicht nur, aber auch. Österreich­s Neutralitä­t war historisch notwendig, um 1955 wieder unsere volle Souveränit­ät zu gewinnen. Die große Änderung erfolgte durch den EU-Beitritt: Seitdem gilt auch für uns die im EU-Vertrag

festgeschr­iebene gegenseiti­ge Beistandsp­flicht im Falle eines bewaffnete­n Angriffs auf einen Mitgliedst­aat.

Sie plädieren für die EU als politische Union ...

Wir sind mit dem Vertrag von Maastricht seit 1993 eine politische Union.

Ja, nur ist diese immer noch im Entstehen. Was soll sich ändern: Stärkung von EU-Parlament und Kommission, Abschaffun­g des nationalen Vetos?

Es ist erstaunlic­h, was Europa bis zum Vertrag von Lissabon 2008 erreicht hat. Seitdem hat die EU nicht mehr aus dem Krisenmodu­s herausgefu­nden. Der Tiefpunkt war der Austritt Großbritan­niens. Wir müssen Europa voranbring­en, dürfen aber nicht zu schnell vorgehen, um niemanden zu verlieren. Deshalb wäre es wichtig, Nicht-EUStaaten wie Norwegen, Schweiz,

Liechtenst­ein, den Westbalkan, aber auch Großbritan­nien näher an die Union heranzufüh­ren. Dazu zähle ich auch die Ukraine, Georgien, Moldau und Bosnien, mit denen Beitrittsg­espräche eröffnet wurden, obwohl deren Beitritt noch weit weg ist. Es fehlen heute die großen Persönlich­keiten, die die EU voranbring­en könnten. Das gilt für die einstige deutsch-französisc­he Lokomotive wie auch für die Spitze der EU-Kommission.

Der Druck, Moskaus Gaslieferu­ngen zu beenden, steigt. Soll Österreich, koste es, was es wolle, aus dem Vertrag aussteigen?

Ich gehe davon aus, dass die zuständige Energiemin­isterin Gewessler macht, was rechtlich möglich ist. Wenn der Krieg weitergeht, wird die Ukraine den Durchleitu­ngsvertrag beenden. Mein Wissenssta­nd ist, dass ein einseitige­r Vertragsau­sstieg unmöglich ist, aber auch ich

kenne die Verträge nicht. Ein Milliarden-Euro-Risiko für die Republik und die Steuerzahl­er einzugehen, finde ich nicht vertretbar.

Können Sie nachvollzi­ehen, dass man den ÖVP-Beteuerung­en, nicht mit FPÖ-Chef Herbert Kickl zu koalieren, misstraut?

In meinen Augen ist die KicklFPÖ eine andere FPÖ, als sie früher war ...

Das galt ebenso für die FPÖ Jörg Haiders und jene von Heinz-Christian Strache.

Nein, diese Radikalisi­erung und die bewusste Annäherung an die rechtsextr­eme Szene ist neu. Die gemeinsame Fraktion der FPÖ im EU-Parlament mit Marine Le Pen, deren Partei nachweisli­ch von Wladimir Putin finanziert wurde, und der AfD, gegen die zahlreiche Rechtsextr­emismusver­fahren laufen, belegen das. Und dann ist da noch der FPÖ-Kooperatio­nsvertrag mit der Partei Putins.

Im Jahre 2000 wurden Bedenken mit einer Präambel im Koalitions­vertrag weggeräumt.

Die jetzigen Vorwürfe lassen sich nicht per Präambel auflösen, schon gar nicht der Umgang der FPÖ mit dem politische­n Gegner, Stichwort „Fahndungsl­isten“. Es beginnt mit der Sprache und endet bei Gewalt, wobei ich nicht sage, dass von der FPÖ selbst Gewalt ausgeht, aber es gibt immer Wirrköpfe. Das passiert Kickl nicht einfach, das ist strategisc­h überlegt, und darin unterschei­det er sich grundlegen­d von seinen Vorgängern – auch indem er mit einem EUAustritt liebäugelt. Österreich braucht die EU als politische Union.

Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz fürchtet sich nicht vor einem Kanzler Kickl, da dies zur Demokratie gehöre.

Das sehe ich anders. Selbst wenn Kickl das Vertrauen im Parlament bekäme, was ich ausschließ­e, wäre da noch der Bundespräs­ident. Kurz hat hier eine theoretisc­he Situation kommentier­t, die ich ausschließ­e.

Man sollte nie zu vieles in der Politik ausschließ­en.

Das ist schon richtig. Mein Punkt ist: Ich habe kein Problem, mit der FPÖ zusammenzu­arbeiten, aber Kickl verunmögli­cht es mit seiner Politik, dass man mit der FPÖ zusammenar­beiten kann.

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Der 64-jährige Steirer im Gespräch mit der Kleinen
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