Putin schürt die Angst vor dem Atomkrieg
In seiner Rede an die Nation droht der Kremlchef dem Westen erneut mit Kernwaffen. Tags davor hatte Moskau bereits den Transnistrien-Konflikt angeheizt.
Zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in Russland gelang es Wladimir Putin, wieder weltweit für Schlagzeilen zu sorgen: Am Mittwoch nahm der Konflikt um eine mögliche Ausweitung des Krieges auf ein weiteres Land – die Republik Moldau – zumindest propagandistisch die nächste Eskalationsstufe. Am Donnerstag nutzte Putin seine jährliche Rede zur Lage der Nation, um dem Westen einmal mehr mit den russischen Nuklearwaffen zu drohen.
Putin trat im Moskauer Kongresszentrum Gostinnyj Dwor auf. Vorher waren zahlreiche Straßen im Stadtzentrum gesperrt worden, während die Kinos in etwa 20 russischen Städten öffneten, um den unumstrittenen Staatschef ebenso live auszustrahlen wie die Staatsfernsehsender. Auch in diversen Universitätshörsälen lief Putins Rede vor einem – vermutlich nicht ganz freiwilligen – Studentenpublikum.
Zum Einstieg in seine Rede pries Putin die militärischen Erfolge im Ukraine-Krieg, wo russische Truppen zuletzt taktische Gewinne verzeichneten. „Das russische Volk zeigt sich ungebrochen“, sagte Putin und lobte die „Ergebenheit der Menschen an den russischen Staat“. Er würdigte auch die russischen „Helden an der Front“.
In der Folge warf Putin dem Westen vor, die Gefahr eines Nuklearkonflikts heraufzubeschwören. „Alles, was der Westen sich einfallen lässt, womit sie die Welt erschrecken, schafft die reale Gefahr eines Konflikts mit dem Einsatz von Atomwaffen, was die Auslöschung der Zivilisation bedeutet“, sagte er. Dass nicht Europa, sondern Russland ein Nachbarland angegriffen hat und mit Atomwaffen droht, erwähnte Putin nicht. Er wies den Westen zudem auf das Potenzial des russischen Militärs hin: „Sie sollten endlich begreifen, dass auch wir über Waffen verfügen, die Ziele auf ihrem Territorium treffen können.“
Putin warnte vor einem Angriff auf Russland und vor dem Einsatz von westlichen Truppen in der Ukraine. Die Konsequenzen eines solchen Schrittes wären tragisch, sagte er. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte zuletzt den Einsatz von Bodentruppen durch sein Land nicht mehr ausgeschlossen, um die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen die russischen Angriffe zu unterstützen. Allerdings hatte sich Macron mit dem Vorschlag bei der Mehrheit der europäischen Regierungschefs eine Abfuhr geholt.
Am Tag vor Putins Rede hatte sich in einer anderen Region die Lage zugespitzt: Die prorussischen Machthaber der abtrünnige Region Transnistrien in der Republik Moldau, die an Rumänien und die Ukraine grenzt, hatten Russland am Mittwoch um „Schutz“gebeten. Das russische Außenministerium erklärte daraufhin „die Interessen der Bewohner Transnistriens, unserer Landsleute“zu einer „Priori
tät“. Ein ähnliches Drehbuch hatte Russland auch schon 2022 im Donbas angewandt, als die separatistischen „Volksrepubliken“im Osten der Ukraine um Hilfe riefen und Putin kurz darauf den Krieg begann.
Ausnahme von Russland nicht anerkannt. Die Region, in der etwa ein Drittel der Bevölkerung ethnische Russen sind, steht seit der Abspaltung stark unter dem Einfluss des Kreml. Moskau hat in der Region auch etwa 2000 Soldaten stationiert, diese sind aber vor allem zur Bewachung eines großen Waffenlagers aus Sowjetzeiten abgestellt und gelten als nicht besonders kampftauglich.
Vor allem in den ersten Monaten des Ukraine-Kriegs war viel darüber spekuliert worden, dass
Russland die Region um die strategisch und kulturell wichtige ukrainische Hafenstadt Odessa von Transnistrien aus in den Zangengriff nimmt. Der Widerstand der Ukrainer machte dies jedoch unmöglich. Auch jetzt fehlen Moskau die Mittel für eine militärische Intervention. Die Ukraine kontrolliert den an Transnistrien angrenzenden Luftraum, die einst gefürchtete russische Schwarzmeerflotte operiert aus Angst vor ukrainischen Seedrohnen nur weit von der Küste Odessas entfernt.