Linientreue der Mullahs zählt
Ajatollah Ali Khamenei wird bald 85 Jahre alt. Mögliche Kandidaten für seine Nachfolge an der Staatsspitze des Iran laufen sich warm.
er Expertenrat ist eines der mächtigsten Gremien der Islamischen Republik Iran, auch wenn er nur selten in Erscheinung tritt. Die 88 Mitglieder des Rates, die an diesem Freitag zusammen mit dem Parlament neu gewählt werden, entscheiden die wichtigste Frage im Staat: wer Revolutionsführer auf Lebenszeit und damit der mächtigste Mann im Land wird. Weil Amtsinhaber Ali Khamenei bald 85 Jahre alt wird, könnte sich die Nachfolgefrage in der neuen achtjährigen Amtsperiode des Rates stellen. Potenzielle Kandidaten für Khameneis Posten laufen sich warm.
Als Klerikerversammlung besteht der Expertenrat aus ausgewiesenen
DExperten für islamisches Recht. Der Rat kann den Revolutionsführer nicht nur wählen, sondern notfalls auch absetzen. Letzteres ist allerdings nur eine theoretische Möglichkeit: Khamenei, der 1989 vom damaligen Expertenrat gewählt wurde, sorgt seit 35 Jahren an der Macht dafür, dass der Rat von loyalen Gefolgsleuten beherrscht wird. Er tut das über ein anderes Gremium, den „Wächterrat“. Dessen zwölf Mitglieder, die direkt oder indirekt von Khamenei ernannt werden, suchen die Kandidaten für den Expertenrat nach dem Geschmack des Revolutionsführers aus. Die Kandidaten für den Expertenrat, die sich heute dem
Volk zur Wahl stellen, sind vom Regime abgesegnet worden.
Dass diesmal noch mehr als sonst auf Linientreue der Mullahs im Expertenrat geachtet wird, hängt mit Khameneis Alter und Gesundheitszustand zusammen. Schon seit 1981, als er bei einem Attentat verletzt wurde, kann er seinen rechten Arm kaum gebrauchen. Vor zehn Jahren wurde Khamenei wegen Prostatakrebs operiert; 2022 verschwand er mehrere Wochen von der Bildfläche, was Spekulationen über eine neue schwere Krankheit anheizte. Inzwischen ist Khamenei zwar wieder obenauf. Doch Spekulationen über seine Nachfolge haben längst eingesetzt.