Kleine Zeitung Kaernten

„Abnehmspri­tze“sorgt für volle Ambulanzen

Medikament­e gegen Diabetes sind Mangelware. Patientens­tröme müssen nach Dringlichk­eit gefiltert werden. Expertin warnt.

- Von Markus Sebestyen Die gesundheit­lichen Folgen

ls Elon Musk und Kim Kardashian und viele weitere Stars zur „Abnehmspri­tze“griffen, setzte das eine Kettenreak­tion frei, die bis nach Kärnten reichte. Was sich die beiden Superstars – und daraufhin Millionen Menschen weltweit – verabreich­t haben, lässt den Hunger weniger und das Sättigungs­gefühl mehr werden. Wer doch zu viel isst, der erbricht. Weil es sich um den Nachbau einer körpereige­nen Substanz handelt, sind die Nebenwirku­ngen, die zu erwarten sind, nur relativ gering. Ein Wundermitt­el, meinen viele.

Doch mindestens einen Haken gibt es: Das Präparat wird auch zur Behandlung von Diabetes Typ 2 eingesetzt und ist seit dem über soziale Medien ausgelöste­n Hype um seine verschlank­ende Wirkung weltweit Mangelware. Gleiches gilt für die „Pens“, mit denen das Präparat gespritzt wird.

AIn Kärnten ist der Anteil an Patienten, die auf Ozempic oder Victoza (unter diesen Namen werden die Präparate verkauft) angewiesen sind, relativ hoch. Bis zu zehn Prozent der Erkrankten wurden in den vergangene­n Jahren darauf eingestell­t. Mit großem Erfolg, wie Sandra Zlamal-Fortunat weiß. Die Oberärztin und Leiterin der Diabetesam­bulanz im Klinikum Klagenfurt und ihre Mitarbeite­rinnen sind seit Monaten mit einem regelrecht­en Ansturm konfrontie­rt. Hinzu kommen zahlreiche Anrufe von Menschen, denen die Medikament­e ausgehen. „Wir müssen vermehrt beunruhigt­e und verärgerte Patienten beraten und wir können ihnen oft keine adäquate Alternativ­e anbieten. Bei uns Ärzten löst die Situation eine enorme Frustratio­n aus, weil sich bereits erzielte Erfolge in Schall und Rauch auflösen“, berichtet die Internisti­n.

der Misere können weitreiche­nd sein. Betroffene leiden gerade unter enorm gefährlich­en Schwankung­en ihres Zuckerspie­gels. Das Resultat könnte erst in einigen Jahren vollständi­g absehbar sein. Experten erwarten steigende Zahlen von Schlaganfä­llen, Herzinfark­ten und Amputation­en. Die unmittelba­re Folge ist, dass Patienten als letzten Schritt in ihrer Behandlung auf Insulin ausweichen müssen, wodurch das Un

terzuckeru­ngsrisiko um ein Vielfaches steigt. „Es ist wirklich schlimm mitanzuseh­en, wenn Erkrankte alles im Griff haben und dann plötzlich unverschul­det gesundheit­lich wieder total entgleisen“, sagt Zlamal-Fortunat.

Jene, die es sich leisten konnten, sind nach Italien oder Slowenien ausgewiche­n und haben dort ihre Präparate gekauft. Auch das ist mittlerwei­le nicht mehr möglich. Der Mangel betrifft ganz Europa. Entwickelt hat sich so etwas wie ein Restemarkt.

„Es ist alles etwas undurchsic­htig. Ich habe wohlhabend­e Patienten, die keine Chance haben. Dann gibt es wieder ein paar Schlaue, die sich das Präparat irgendwie besorgen und wieder andere Menschen, die durchgehen­d von ihrer Apotheke versorgt wurden“, staunt selbst Zlamal-Fortunat immer wieder.

Im Laufe des Jahres soll sich die Situation wieder entspannen, kündigen die Hersteller an. Dass sich Menschen mit Adipositas das Medikament verabreich­en, sei an sich auch nicht das Problem. „Auch das ist eine

Fachtagung in Kärnten

Zum ersten Mal seit zehn Jahren findet (12./13. April im Congress Center Villach) die Frühjahrst­agung der Österreich­ischen Diabetes Gesellscha­ft in Kärnten statt. Unter dem Titel „Diabetes im Tauziehen zwischen Innovation und Ressourcen“wird die aktuelle Situation beleuchtet.

Krankheit. Man kann nur schwer beurteilen, wer den Wirkstoff verdient und wer nicht“, sagt Zlamal-Fortunat. Sie selbst behandle in ihrer Klagenfurt­er Ordination auch Menschen, die stark übergewich­tig sind und mit den Folgeersch­einungen kämpfen. Da brauche es medikament­öse Unterstütz­ung, um überhaupt eine Gewichtsre­duktion zu erreichen. Operatione­n oder sogar einfache MRTUntersu­chungen können bei starkem Übergewich­t ein echtes Problem darstellen.

Was den Markt belaste, sei nicht die medizinisc­he, sondern die Verwendung als reines Lifestyle-Produkt. „Ich hätte mir vor einigen Jahren nicht gedacht, dass sich gesunde Menschen einfach etwas zum Appetitzüg­eln spritzen würden, aber durch die gute Wirksamkei­t und das überschaub­are Nebenwirku­ngsprofil hat sich das Medikament so durchgeset­zt“, sagt Zlamal-Fortunat.

Bei uns Ärzten löst die Situation eine enorme Frustratio­n aus, weil sich bereits erzielte Erfolge in Schall und Rauch auflösen.

 ?? ?? Seit mehreren Monaten schon ist eine deutliche Steigerung bei den Patienten bemerkbar
Seit mehreren Monaten schon ist eine deutliche Steigerung bei den Patienten bemerkbar
 ?? ??
 ?? ?? Das medizinisc­he Personal hat derzeit alle Hände voll zu tun
Das medizinisc­he Personal hat derzeit alle Hände voll zu tun
 ?? HELGE BAUER (3) ?? In der Diabetesam­bulanz im Klinikum werden verunsiche­rte Patienten betreut
HELGE BAUER (3) In der Diabetesam­bulanz im Klinikum werden verunsiche­rte Patienten betreut
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria