„Beim Personal ist es arschknapp“
ÖBB-CEO Andreas Matthä über beschämende Entschädigungen, Vorwürfe der Gewerkschaft, den geplanten Ausbau des Logistikzentrums Villach und mögliche Gefahren für den Start der Koralmbahn.
Sie gaben „Ihrer“ÖBB für die Performance im Winter „maximal ein Genügend“. Wann wird die Note besser? ANDREAS MATTHÄ:
Im Dezember und im Jänner war ich mit unserer Leistung nicht zufrieden. Getroffen hat das vor allem die Ostregion.
Auch im Süden gab es viele enttäuschte Fahrgäste.
Wir hatten im Dezember durch die Schneekatatastrophe zusätzlich vier Railjets verloren. Das hat dann zum Engpass geführt, wir mussten mit Ersatzgarnituren arbeiten. Der Fernverkehr funktioniert seither. Wir kriegen weitere Fahrzeuge frei, wenn die neuen Railjets zunächst am Brenner beginnen.
Hat es sich bewährt, 50 Verbindungen in der Ostregion aus dem Fahrplan zu nehmen?
In unserer Wahrnehmung hat das die Situation stabilisiert. Zugausfälle durch Fahrzeugmangel fallen weg, aber Ausfälle liegen in der Natur unseres Geschäfts. Wahnsinnig schwierig ist es für mich, wenn Fahrgäste am Bahnsteig stehen und nicht wissen, ob der Zug kommt, weil wir einen Fahrzeugmangel haben. Deswegen haben wir uns für diese Maßnahme und mehr Planbarkeit entschieden. eine der Topbahnen in Europa und die pünktlichste Bahn in der EU. Relativ gesehen hatten wir im Dezember einen Pünktlichkeitswert von 75 Prozent im Fernverkehr, der gefällt uns nicht. Wenn ich mir aber meinen deutschen Kollegen anschaue, der will mittelfristig 70 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr.
Sie wollen aber nicht die ÖBB mit der Deutschen Bahn vergleichen, oder?
Nein. Unser Ziel ist es, die Poleposition in Europa zu halten.
Es fehlen aber auch die Lokführer. Wie akut ist der Personalmangel bei den ÖBB?
Wir leben beim Personal nicht in Saus und Braus, unser derzeitiges Problem sind fehlende Züge. Alleine im vergangenen Jahr haben wir 5.000 Menschen aufgenommen, darunter auch Lokführer. Verglichen mit 2014 sind es 800 mehr.
Die scharfe Kritik der Eisenbahner-Gewerkschaft teilen Sie nicht?
Nein. Was sicher ein Punkt ist: Die Kollegen haben beim Qualitätsthema sehr viele Überstunden gefahren, Hut ab und danke. Wir sehen aktuell, dass die Überstunden steigen, das liegt auch an den Verkehrsausweitungen. Da müssen wir ein Stück weit schauen, dass das zurückgeht. Es ist arschknapp, um den Bundespräsidenten zu zitieren.
Während und nach den Schneechaos-Tagen im Dezember gab es
bekleidete er Leitungsfunktionen in den Bereichen Bau, Controlling, Verkehrsplanung. Seit Mai 2016 Vorstandschef der ÖBBHolding.
viel Ärger bei Fahrgästen, die mit Mini-Entschädigungen abgespeist wurden. Warum sind Sie nicht etwas großzügiger?
Bei Fahrgastrechten haben wir verschiedene Kanäle und auch die positive Resonanz, dass das sehr schnell geht. Bei extremen Dingen wie jenem Zug, der in Unzmarkt hängen geblieben ist, muss man vielleicht noch einmal nachschärfen. Da kann die Botschaft nicht sein, wahnsinnig kleinlich zu sein.
Gibt es überhaupt den Bedarf für ein weiteres Logistikzentrum in Fürnitz bei Villach, neben florierenden Logistikzentren wie jenem in Werndorf bei Graz?
Ich bin überzeugt, dass es hier einen Logistikstandort gut verträgt. Wenn man es klug macht, ergänzen sich Fürnitz und Graz. Villach hat einen starken maritimen Aspekt nach Koper und Triest.
Als wir die Verhandlungen hatten, war Triest übervoll, aber das ist zurückgegangen. Die industrielle Produktion ist gesunken und wegen der Krise im Roten Meer werden Schiffe über die Nordhäfen umgeroutet. Ein Teil der Mengen geht außerdem nach Rijeka und Koper. Dadurch hat der Druck auf den Hafen Triest ein Stück weit nachgelassen. Es ist dennoch erfreulich, dass die Zollbehörden diesen Weg gegangen sind.
Fürnitz soll nach Jahren des Zögerns ausgebaut werden. Wurde der gordische Knoten gelöst?
Wir wollen ja alle, dass das abhebt und fliegt. Die Struktur mit verschiedenen Grundstückseigentümern war nicht förder
lich, jetzt spricht man mit einer Stimme nach außen.
Die Auslastung des Terminals liegt bei 50 Prozent. Die ÖBB wollen in jedem Fall investieren?
Es geht jetzt Schritt für Schritt. Investiert wird auf jeden Fall in die Planung. Wir geben unser klares Commitment, dass wir in Fürnitz investitionsbereit sind.
Beim kürzlich präsentierten „Zielnetz 2040“der Bahn fehlt die in Kärnten geforderte Gütertrasse zur Entlastung der Bevölkerung im Zentralraum. Warum eigentlich?
Die berühmte Wörtherseetrasse wurde mituntersucht und hat in dieser Phase die Nutzen-KostenAnalyse nicht geschafft. Aber es gibt auch die Phase nach 2040.
Wann wird es die nächste Evaluierung der Wörtherseetrasse geben?
Wir schauen uns das langfristig an. Derzeit ist ja ausreichend Kapazität da. Die zwei Gleise sind aufgrund der Topographie und Kürze der Strecke eigentlich kein Problem – noch.
Ist für den Start der Koralmbahn zwischen Graz und Klagenfurt im Dezember des nächsten Jahres bereits alles auf Schiene – oder gibt es da noch ein Gefahrenmoment?
Bis zum Schluss immer. Du musst nicht nur baulich fertig sein, du musst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Blaulichtorganisationen schulen. Und dann braucht es noch eine Betriebsbewilligung. Aber es schaut derzeit alles planmäßig aus. Es ist einer der größten Meilensteine, die Kärnten und die Steiermark in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Ich freue mich, dass ich das erleben darf.