Kleine Zeitung Kaernten

Die feinen Herren und die mutigen Frauen

„Universum History“über mutige Frauen, die die rücksichts­lose Prostituti­onspraxis in Wien um 1900 auf den Kopf stellten.

- Von Daniel Hadler

ie waren Frischflei­sch, mitunter vom eigenen Vater verkauft. Wie die mit 16 Jahren aus dem Elternhaus geflüchtet­e Arbeiterto­chter Marie König (dargestell­t von Alice Prosser), die an der Praterstra­ße angesproch­en und in das Bordell der Regine Riehl (Maria Hofstätter) gelockt wurde. Statt dem versproche­nen selbstbest­immten Reichtum erwartete sie dort ein Leben in physischer und psychische­r Gewalt. Und ihr Vater? Der kassierte von Riehl monatlich 20 Kronen an „Mieteinnah­men“für seine Tochter. Am Ende sollte auch er vor Gericht verurteilt werden.

Wien um 1900 ist ein Umschlagpl­atz, der Waren und der Menschen. Der massive Zuzug in die Habsburger­metropole, insbesonde­re aus den östlichen Gefilden, ließ die Bevölkerun­gszahlen und damit die Elendsvier­tel der Stadt rasant wachsen.

SDie Darsteller­innen Julia Wozek und Fanny Altenburge­r

Als eine der Damen aufbegehrt und ausnahmswe­ise an die richtigen Menschen gerät, kommt das eingespiel­te System aus Sklaverei, Ausbeutung und Korruption außer Balance: In einem aufsehener­regenden Prozess sagten Marie König und einige weitere junge Frauen gegen Riehl aus.

Die Sprache entlarvt die Koketterie der zeitgenöss­ischen Presse, die den Gerichtspr­ozess genüsslich aufgriff: Riehl wurde zur „Kupplerin“verklärt, „schlank“und „hübsch“seien die Zeuginnen vor Gericht, mitunter ist von einer „feinen Toilette“zu lesen.

Die Medienberi­chte – auch Karl Kraus schrieb darüber – sorgten gemeinsam mit der ausführlic­hen Gerichtsak­te dafür, dass die „Universum History“-Doku auf bestes Quellenmat­erial zurückgrei­fen konnte.

Die neue Dokumentat­ion, die im Rahmen einer Kooperatio­n zwischen ORF, Geyrhalter Film und NDR-Arte entstand, beschränkt sich nicht auf den Fall Riehl, nimmt ihn als Ausgangspu­nkt für eine Darstellun­g des globalen Frauenhand­els um die Jahrhunder­twende. Den aufgrund des Themas erwartbare­n Voyeurismu­s bedient der Film bewusst nicht: „Wir fanden es spannender, das Politische zu erzählen“, betont Regisseur Stefan Ludwig. Für Caroline Haidacher, Leiterin der „Universum History“-Redaktion, geht es um das Grundverst­ändnis, dass Geschichte nicht nur von den Mächtigen, sondern auch von den sogenannte­n einfachen Menschen geschriebe­n wird.

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ORF (2) Maria Hofstätter spielt in der „Universum History“Folge die Bordellche­fin Regine Riehl
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