Drama, Zank und Aufklärung
Bei Untersuchungsausschüssen wird fleißig politisches Kleingeld gewechselt. Über die Bedeutung des Kontrollinstruments sollte das trotzdem nicht hinwegtäuschen.
er Zeitpunkt sei der „schlechtest mögliche“, befindet Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty. Wenige Monate vor der Nationalratswahl starten am Mittwoch die Befragungen zum ersten von gleich zwei parallelen U-Ausschüssen.
Wenn sich Abgeordnete in Ös- terreich der Aufklärungsarbeit widmen, ist eine Prise Drama meist nicht weit. Gestritten wurde in der Vergangenheit schon über Banalitäten wie Grußformeln, ebenso gab es schwerwiegendere Auseinan- dersetzungen wie die Posse um Akten aus dem Finanzministe- rium im Jahr 2021, die der dama- lige Minister Gernot Blümel sich zu liefern weigerte, bis der Bun- despräsident die Exekution der entsprechenden Gerichtsent- scheidung beauftragte.
Und auch jetzt nutzen die Par- teien bereits jede Gelegenheit für eine Schlagzeile: Zuletzt ging die FPÖ mit Corona-Förderun- gen an Verwandte von Bundes- kanzler Karl Nehammer hausie- ren, die ÖVP spielte Medien am Dienstag Berichte zu, Ex-FPÖ- Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein habe nach dem Platzen der türkis-blauen Koali
Dvilja.schiretz@kleinezeitung.at
tion massenhaft Akten schreddern lassen. Die Aufklärung möglicherweise zwielichtiger Vorgänge in der Sphäre der Kon- kurrenz ist eben eine willkom- mene Gelegenheit, politisches Kleingeld zu wechseln.
Präsentiert sich die Politik bei U-Ausschüssen stets von ihrer besten, aufklärerischen Seite und stärkt ihr Ansehen in der Bevölkerung? Ganz bestimmt nicht. Aber ist die parlamentari- sche Aufklärungsarbeit deshalb sinnlos und zum Wahlkampfin- strument verkommen?
Klar ist: Auch wenn in der Vergangenheit nicht immer alle in den entsprechenden Verlangen gestellten Fragen beantwortet werden konnten, haben die U- Ausschüsse einiges an relevan- ten Informationen zutage geför- dert. Und auch wenn die Befra- gungen teils im Streit um zu- sätzliche Termine und Aus- kunftspersonen geendet haben, wurde doch immer wieder ein detailliertes Bild über Vorgänge in der Republik gezeichnet. So fanden etwa zahlreiche Chats von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid ihren Weg an die Öffentlichkeit und führten zu zahlreichen Ermittlungen im Umfeld von Ex-Kanzler Sebastian Kurz.
Über den Zeitpunkt der beiden U-Ausschüsse kann man diesmal streiten. Ebenso über die Wahl des Untersuchungsgegenstands des von der ÖVP eingesetzten „rot-blauen Machtmissbrauchsuntersuchungsausschusses“, der in einer besonders kurzen Zeit ein besonders breit gestreutes Themenfeld unter die Lupe nehmen will und den die Opposition teils auch als Retourkutsche für den vergangenen „ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss“sieht. och auch, wenn es Streit geben wird, auch, wenn die eine oder andere Entscheidung vor allem im Sinne der eigenen Partei getroffen werden dürfte: Das parlamentarische Kontrollinstrument schaut immer noch den Mächtigsten in der Republik auf die Finger. Das ist wertvoll, unabhängig vom einen oder anderen Fehltritt, der unterwegs passiert.
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