„Magere Zeiten“in Klagenfurt
Der zweistündige Streik der Lieferando-Fahrradboten heute in Klagenfurt ist Sinnbild für die verfahrene Gehaltssituation der Branche. Warnstreik der Radboten für Essenslieferdienste.
Zwei Stunden lang werden heute die Lieferando-Beschäftigten in Klagenfurt ihre Arbeit niederlegen bzw. nicht auf den Fahrradsattel steigen. Grund dafür sind die stockenden Kollektivvertragsverhandlungen für die Fahrradboten für Essenslieferdienste. Nach vier Verhandlungsrunden liegt das Angebot der Arbeitgeber bei 5,8 Prozent. Viel zu wenig, so die Gewerkschaft Vida. Das Angebot decke in der Niedriglohnbranche, deren Kundschaft aber immer mehr Appetit hat, nicht einmal die rollierende Inflation in Höhe von 8,7 Prozent ab.
Der ÖGB hat bereits die Streikfreigabe erteilt. In Klagenfurt sind 35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei Lieferando beschäftigt, der seinen Standort in Klagenfurt zentral am Feldmarschall-Conrad-Platz hat. In Kärnten bietet das Unternehmen seine Dienste nur in Klagenfurt an. Dort aber herrscht starkes LieferandoVerkehrsaufkommen.
Nach einer Betriebsversammlung wird konkret während des Mittagsgeschäfts von 13 bis 15 Uhr gestreikt. Das bedeutet, dass in dieser Zeit auch keine Klagenfurter Lieferando-Bestellungen ausgeliefert werden. Außer die Restaurants liefern die Bestellung
Appetit auf schnelles Essen
Essen zu bestellen, ist auch in Österreich ein Breitenphänomen geworden. Fast jeder zweite Österreicher zwischen 18 und 65 Jahren bestellt sich mindestens einmal im Monat Essen nach Hause oder ins Büro. 13 Prozent sogar wöchentlich, besagt eine Studie des Lieferdienstes Foodora.
mit eigenen Boten aus. Gemeinsam mit Lieferando-Betriebsratsmitglied Simrandeep Sandhu wird sich auch Ursula Heitzer, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Vida, unter die Streikenden mischen.
Österreichweit streiken heute 2000 Fahrradbotinnen bzw. Essenszusteller – auch in Wien, Graz und Innsbruck. „Die Arbeitgeber wollen ihnen bei einem Einkommen von 1730 Euro brutto im Monat bei einer 40-Stunden-Woche keine Inflationsabgeltung
bzw. abzuwaschen ist das häufigste Argument für Bestellungen. Männer bestellen öfter als Frauen. ist das Bestell-Essen Nummer eins. ist ein Faktor: je schlechter, desto mehr Bestellungen.
Die geforderte Kollektivvertragserhöhung um 8,7 Prozent hätte Preisaufschläge beim Essen zur Folge, die sich niemand leisten kann.
gönnen. Wir fordern mehr Wertschätzung für diese Arbeit“, sagt Toni Pravdic, KVVerhandlungsleiter von Vida. Fabian Warzilek, Betriebsratsvorsitzender bei Lieferando Österreich, ergänzt: „Die Essenszusteller schrammen mit ihren Nettolöhnen derzeit knapp an der Armutsgrenze vorbei. Es geht um ein Leben in Würde und ohne Schulden.“Die Armutsgrenze ist in Österreich aktuell mit 1400 Euro bemessen.
„Lieferando zahlt bereits be
sonders hohe Löhne in einer sicheren Festanstellung nach Kollektivvertrag und mit deutlich höheren Personalkosten als branchenübliche FreiberuflerModelle“, entgegnet das Unternehmen. „Wir subventionieren diese arbeitnehmerfreundlichen Bedingungen also schon heute und vermeiden prekäre Verhältnisse, die dann zulasten der Sozialsysteme und Steuerzahler gehen. Aber wir können nur verteilen, was wir erwirtschaften.“Die geforderte Erhöhung um 8,7 Prozent würde die reinen Personalkosten arbeitgeberseitig auf 19 Euro pro Stunde treiben. Die dafür nötigen Preisaufschläge könne sich „niemand leisten“. Sie würden zu Umsatzeinbrüchen
führen und damit wiederum zu Personalabbau – bei Restaurants und Lieferdiensten.
Lieferando stellt laut eigener Auskunft seine Boten in Österreich als Dienstnehmer regulär an, nach Kollektivvertrag mit Zulagen an Sonn- und Feiertagen, 14 Monatslöhnen, Lohnfortzahlungen im Krankenstand, einer arbeitgeberseitigen Versicherung und sozialversicherungspflichtigen Leistungen.
Das Unternehmen verweist auf seine Auszeichnung als „arbeitnehmerfreundlichste Plattform Österreichs“durch den Forschungsverbund Fairwork. Zudem unterstütze Lieferando die EU-Richtlinie zugunsten von Plattform-Arbeitenden.
Lieferando-Betriebsratschef
Essenszusteller schrammen mit ihren Nettolöhnen knapp an der Armutsgrenze vorbei. Wir fordern mehr Wertschätzung für diese Arbeit.