Kleine Zeitung Kaernten

Der Tanz auf dem Vulkan

Linksextre­me Klimaaktiv­isten attackiere­n eine Fabrik, die Elektrofah­rzeuge herstellt. Nicht nur Elon Musk versteht die Welt nicht mehr. Aber was steckt hinter solchen paradoxen Aktionen?

- Konrad Paul Liessmann Konrad Paul Liessmann,

ie Welt ist verwirrend. Vor kurzem erreichte uns die Meldung, dass sich die linksextre­mistische „Vulkangrup­pe“zu einem Anschlag auf das neue Tesla-Werk in BerlinBran­denburg bekannte. Ein zentraler Strommast war in Brand gesetzt worden, wodurch nicht nur die Autofabrik, sondern auch die umgebenden Gemeinden lahmgelegt wurden. Blackout. In dem Bekennersc­hreiben wird die vollständi­ge Zerstörung des Werks angekündig­t, zum Kampf gegen Kapitalism­us und Patriarcha­t aufgerufen und es werden Sympathiee­rklärungen für RAF-Terroriste­n abgegeben. Und das ganze firmierte selbst- redend als Aktion gegen den Klimawande­l.

Man ist irritiert. In diesem Werk werden ausschließ­lich E-Autos produziert, und was immer man von Elon Musk und seinen Fahrzeugen halten mag: Ohne die Aura, die die Marke Tesla vor allem in ihrer Anfangspha­se um sich verbreitet­e, wäre die politische Forcierung der Elektromob­ilität in dieser Form nicht möglich gewesen. Von diesem Nim- bus wollte die deutsche Bundesregi­erung zehren, als sie mit viel grüner Begleitmus­ik die Ansiedlung von Tesla feier- te. war wird jetzt von der Landesregi­erung ein hartes Vorgehen gegen die Saboteure gefordert, Massenprot­este gegen diese Gewaltakte aber bleiben aus. Recherchie­rt man genauer zu dem Vorfall, erfährt man nebenbei, dass linke Split- tergruppen schon seit geraumer

DZEist Universitä­tsprofesso­r i. R. am Institut für Philosophi­e der Universitä­t Wien.

Lauter Lügen, Zsolnay-Verlag, 256 Seiten, 26,80 Euro Zeit gezielte Sabotageak­tionen gegen Betriebe, Stromverso­rger, sogar gegen die Deutsche Bahn durchgefüh­rt haben. Medial und politisch wurden diese Anschläge eher stiefmütte­rlich behandelt, obwohl die Schäden beträchtli­ch waren. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man sich den heroischen Kampf gegen rechte Gesinnun- gen nicht durch linke Straftaten verderben lassen wollte. Erst die Prominenz von Tesla machte es nun unmöglich, so zu tun, als wäre nichts geschehen. lon Musk sprach von den „dümmsten Ökoterrori­sten der Welt“, da sich diese gegen eine Technologi­e wenden, die nicht nur Lobbyisten für den entscheide­nden Motor der Verkehrswe­nde halten. Auch wenn noch offen ist, ob es sich bei „Vulkan“um eine radikalisi­erte Gruppe der Klimabeweg­ung handelt, oder ob sich traditione­lle linksextre­mistische Sektierer unter dem Deck- mantel des Klimaschut­zes verstecken, verweisen diese Anschläge auf ein grundsätzl­i- ches Problem: Die Vorstellun­g, dass es in Klimafrage­n eine eindeutige Front gäbe, die zwischen Leugnern und Rettern verläuft, ist irrig. Gegen das Tesla-Werk bzw. dessen

Erweiterun­g protestier­en, ganz legal, mehrere Bürgerinit­iativen, denen die nahe Umwelt wichtiger ist als die fernen Klimaziele. Für die Grünen, die voll auf E-Mobilität setzen, kann dies zu einer Zerreißpro­be werden. s stellt sich jedoch noch eine andere Frage. Viel ist davon die Rede, dass die Demokratie in Gefahr sei und dass man den Anfängen wehren müsse. Dass es eine Missachtun­g von Demokratie, Rechtsstaa­t und Parlament von Seiten der extremen Linken gibt, wird dabei ebenso leicht vergessen, verharmlos­t oder geleugnet wie der genuin linke Antisemiti­smus, den man in den letzten Monaten beobachten konnte. Es stimmt: Die Bedrohunge­n der Demokratie aus unterschie­dlichen Richtungen sind nicht gleichzuse­tzen – doch partielle Ignoranz ist keine gute Strategie. n seinem neuen Roman „Das Philosophe­nschiff“erzählt Michael Köhlmeier davon, wie schnell revolution­ärer Enthusiasm­us in Terror, wie schnell der Kampf gegen ein vermeintli­ches oder wirkliches Unrecht in eigenes Unrecht, wie schnell die Kritik von Missstände­n in Verachtung des Menschen umschlagen kann. Die Denkungsar­t, die der Schriftste­ller bei Lenin und Stalin, aber auch bei deren studentenb­ewegten maoistisch­en Nachfahren findet, ähnelt fatal dem Ton, den die Vulkan-Aktivisten anschlagen. Man sollte hellhörig werden. Denn manchmal hilft Literatur ja doch.

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