Der Tanz auf dem Vulkan
Linksextreme Klimaaktivisten attackieren eine Fabrik, die Elektrofahrzeuge herstellt. Nicht nur Elon Musk versteht die Welt nicht mehr. Aber was steckt hinter solchen paradoxen Aktionen?
ie Welt ist verwirrend. Vor kurzem erreichte uns die Meldung, dass sich die linksextremistische „Vulkangruppe“zu einem Anschlag auf das neue Tesla-Werk in BerlinBrandenburg bekannte. Ein zentraler Strommast war in Brand gesetzt worden, wodurch nicht nur die Autofabrik, sondern auch die umgebenden Gemeinden lahmgelegt wurden. Blackout. In dem Bekennerschreiben wird die vollständige Zerstörung des Werks angekündigt, zum Kampf gegen Kapitalismus und Patriarchat aufgerufen und es werden Sympathieerklärungen für RAF-Terroristen abgegeben. Und das ganze firmierte selbst- redend als Aktion gegen den Klimawandel.
Man ist irritiert. In diesem Werk werden ausschließlich E-Autos produziert, und was immer man von Elon Musk und seinen Fahrzeugen halten mag: Ohne die Aura, die die Marke Tesla vor allem in ihrer Anfangsphase um sich verbreitete, wäre die politische Forcierung der Elektromobilität in dieser Form nicht möglich gewesen. Von diesem Nim- bus wollte die deutsche Bundesregierung zehren, als sie mit viel grüner Begleitmusik die Ansiedlung von Tesla feier- te. war wird jetzt von der Landesregierung ein hartes Vorgehen gegen die Saboteure gefordert, Massenproteste gegen diese Gewaltakte aber bleiben aus. Recherchiert man genauer zu dem Vorfall, erfährt man nebenbei, dass linke Split- tergruppen schon seit geraumer
DZEist Universitätsprofessor i. R. am Institut für Philosophie der Universität Wien.
Lauter Lügen, Zsolnay-Verlag, 256 Seiten, 26,80 Euro Zeit gezielte Sabotageaktionen gegen Betriebe, Stromversorger, sogar gegen die Deutsche Bahn durchgeführt haben. Medial und politisch wurden diese Anschläge eher stiefmütterlich behandelt, obwohl die Schäden beträchtlich waren. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man sich den heroischen Kampf gegen rechte Gesinnun- gen nicht durch linke Straftaten verderben lassen wollte. Erst die Prominenz von Tesla machte es nun unmöglich, so zu tun, als wäre nichts geschehen. lon Musk sprach von den „dümmsten Ökoterroristen der Welt“, da sich diese gegen eine Technologie wenden, die nicht nur Lobbyisten für den entscheidenden Motor der Verkehrswende halten. Auch wenn noch offen ist, ob es sich bei „Vulkan“um eine radikalisierte Gruppe der Klimabewegung handelt, oder ob sich traditionelle linksextremistische Sektierer unter dem Deck- mantel des Klimaschutzes verstecken, verweisen diese Anschläge auf ein grundsätzli- ches Problem: Die Vorstellung, dass es in Klimafragen eine eindeutige Front gäbe, die zwischen Leugnern und Rettern verläuft, ist irrig. Gegen das Tesla-Werk bzw. dessen
Erweiterung protestieren, ganz legal, mehrere Bürgerinitiativen, denen die nahe Umwelt wichtiger ist als die fernen Klimaziele. Für die Grünen, die voll auf E-Mobilität setzen, kann dies zu einer Zerreißprobe werden. s stellt sich jedoch noch eine andere Frage. Viel ist davon die Rede, dass die Demokratie in Gefahr sei und dass man den Anfängen wehren müsse. Dass es eine Missachtung von Demokratie, Rechtsstaat und Parlament von Seiten der extremen Linken gibt, wird dabei ebenso leicht vergessen, verharmlost oder geleugnet wie der genuin linke Antisemitismus, den man in den letzten Monaten beobachten konnte. Es stimmt: Die Bedrohungen der Demokratie aus unterschiedlichen Richtungen sind nicht gleichzusetzen – doch partielle Ignoranz ist keine gute Strategie. n seinem neuen Roman „Das Philosophenschiff“erzählt Michael Köhlmeier davon, wie schnell revolutionärer Enthusiasmus in Terror, wie schnell der Kampf gegen ein vermeintliches oder wirkliches Unrecht in eigenes Unrecht, wie schnell die Kritik von Missständen in Verachtung des Menschen umschlagen kann. Die Denkungsart, die der Schriftsteller bei Lenin und Stalin, aber auch bei deren studentenbewegten maoistischen Nachfahren findet, ähnelt fatal dem Ton, den die Vulkan-Aktivisten anschlagen. Man sollte hellhörig werden. Denn manchmal hilft Literatur ja doch.
EI