Wenn Herz und Hirn kämpfen
Welche erwachsenen Pippi-Langstrumpf-Typen wären nötig?
etzt ist er also wieder vorbei, der Frauentag. Was auffällt? Dass sich immer mehr als „Vereinbarkeits-Vorzugsschüler“präsentieren. Also Unvereinbarkeit von Kind, Job, Karriere „ein Mythos, der unter geänderten Rahmenbedingungen ausgeräumt wird“, wie eine große Anwaltskanzlei gestern erklärte. Manche Leser und Leserinnern meinen wiederum, er gehe ihnen einfach nur mehr auf die Nerven, dieser Frauentag. Immerhin sei viel erreicht worden. Und andere kritisieren, dass auch Jahrzehnte nach Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf zu viele angepasste Annikas und zu wenige revoltierende Pippi Langstrumpfs durch die Welt laufen.
Irgendwie, irgendwann wird der Frauentag ein Drehen im Kreis. Selbst wenn Simone de Beauvoir bereits vor 50 Jahren glaubte, über Feminismus sei „genug Tinte geflossen“, also alles abgeschlossen. Nichts ist abgeschlossen. Karenzzeiten? Zu lange. Teilzeitquote bei Frauen? Zu hoch. Da hat bislang auch nicht der erhobene Zeigefinger mit dem Hinweis auf die finanziellen Folgen im Alter geholfen. Als ob frau das nicht wüsste. Aber da kämpft noch Hirn gegen Herz.
Eine Juristin brachte die Stolperfalle mit fünf Worten auf den Punkt. Auf die Frage, wie lange sie Teilzeit arbeiten möchte, antwortete sie im ORF: „Bis Georg mich weniger braucht.“eorg war drei Jahre und seine Mutter mit ihrer Antwort Prototyp teilzeitarbeitender Mütter. Frauen mit modernen Rollenbildern im Kopf, die dennoch im Job zurückschalten, weil ein Kind im Arm die Welt auf den Kopf stellt. Frauen, die mit Warnungen vor konservativen Rollenbildern wenig anfangen können. Warum? Weil sich Georg für Ideologien nicht eignet. Und klar ist: Wer Unabhängigkeit will, hat drei Optionen: a) Verzicht auf Kinder, b) teilzeitarbeitender Partner, c) Baby 40 Stunden outsourcen. Möglichkeit Nummer 1 wurde einmal von einer Autorin mit dem Slogan „kinderfrei statt kinderlos“propagiert. Versehen mit dem Hinweis, wie viel CO2 ein Baby verursacht. Ob diese Autorin zu den erwachsenen Pippi Langstrumpfs zählt? Jedenfalls: In der Politik bräuchten wir mehr Pippi-Langstrumpf-Typen, die noch die Welt von Georgs Mutter kennen. Oder alles retro? Weil für völlige Unabhängigkeit das Elternsein ohnehin auf der Müllhalde abgelaufener Lebenskonzepte entsorgt werden müsste?
JG