Ein Abend ist nicht genug
Auch wenn sich Joe Biden in der Rede zur Lage der Nation überraschend agil zeigt, das schwerste steht ihm erst bevor – über einen noch acht Monate langen Wahlkampf.
eidenschaftlich, stark, laut, kräftig – Joe Biden tat am Donnerstagabend sein Allerbestes, den erfahrenen, aber definitiv noch amtstüchtigen Präsidenten zu geben. Er war staatsmännisch, aber auch leutselig, scherzte mit demokratischen Kollegen, stritt sich bis- sig mit republikanischen Kriti- kern, und zitierte seine großen Vorbilder – Franklin D. Roose- velt, Ronald Reagan, Martin Lu- ther King. Natürlich birgt das die Gefahr, dass das Amerika eher an sein Alter erinnert, als dass es seinen Erfahrungs- schatz betont.
Er versuchte auch, Donald Trump, oder, wie er ihn nannte, „meinen Vorgänger“, im Aus- druck seines Patriotismus zu übertrumpfen. Man könne Ame- rika nicht nur lieben, wenn man gewinne, sagte er. Trump rea- gierte ungehalten: Biden habe wütend gewirkt, überhaupt nicht mitfühlend – ausgerech- net Donald Trump.
Der Präsident versprach einen bunten Blumenstrauß – mehr Steuern für Reiche, sinkende Medikamentenpreise, mehr Wohnungsbau –, bei dem man sich fragt: Warum nicht schon in den vergangenen vier Jahren?
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Die Lage an der Grenze etwa: Ja, die Republikaner haben sich ei- nem Gesetzesentwurf verwei- gert, aber dem Präsidenten wäre es ja unbenommen, die Truppen zur Grenzsicherung zu verstär- ken.
Mehr noch drücken die Ame- rikaner die Preise. Medien, die dem Präsidenten freundlich ge- sonnen sind, und das sind viele, versuchen seit einiger Zeit, den Bürgern zu erklären, dass sie sich das alles nur einbilden. Ja, es gebe Inflation, aber die sei ge- sunken, hieß es erst, dann: Man- che Güter, wie Großbildfernse- her, würden aber billiger, und nun: Inzwischen stiegen die Löhne stärker als die Preise. Aber nur im Durchschnitt. Der einzelnen Familie, die immer noch teure Eier und Butter im Supermarkt findet und gerade keine Lohnerhöhung bekom- men hat, bringt das nichts.
Biden schien nun versuchen zu wollen, die Supermärkte zu mikromanagen, so wie es eher an den glücklosen Jimmy Carter erinnert: Es sei empörend, dass in einer Snickers-Packung nun zehn Prozent weniger Inhalt bei gleichbleibendem Preis vorhanden sei, sagte er.
Außenpolitisch versicherte Biden der Ukraine seine Hilfe, wenngleich er betonte, dass es keine US-Soldaten geben würde, die dort kämpften. Die meiste Zeit aber verbrachte er mit Israel, im Bemühen, beide Seiten zu bedienen. Er sprach lange über den Schock des 7. Oktober, aber auch über die toten Palästinenser, versprach beiden Seiten humanitäre Hilfe, nur eines versprach nicht: die Macht der USA in die Waagschale zu werfen, um den Kampf zu beenden. Der Israelkonflikt allerdings könnte Bidens Präsidentschaft bedrohen, denn junge und arabische Wähler drohen, zu Hause zu bleiben. un aber kommen die Mühen der Ebene. Biden muss nicht nur einen Abend lang agil und kraftvoll wirken, sondern noch acht Monate. Die Republikaner haben erkennen lassen, dass es ein harter Wahlkampf wird. Mit zehn Prozent mehr Angriffen.
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