Biden überrascht Freund wie Feind
Ohne Trump direkt zu nennen, warnte der US-Präsident vor seinem Herausforderer.
die Agenda von der Leyens beim politischen Mitbewerb mitunter mehr Gefallen gefunden als bei den eigenen Leuten. Nun will sie in den nächsten 90 Tagen tatsächlich so etwas wie einen „Wahlkampf“machen, was ihr bei ihrer ersten Nominierung erspart geblieben war.
Das „Spitzenkandidatensystem“an sich erweist sich hier als Chimäre: Die eigentliche Entscheidung treffen Staats- und Regierungschefs, das EU-Parlament stimmt dann ab. Und genau diese Konstellation macht alles besonders schwierig, denn die Kandidatin muss sich mit den Fraktionen zumindest so weit gut stellen, dass sie die Mehrheit bekommt. Schon weisen die Sozialdemokraten darauf hin: „Ignoriere uns – auf eigene Gefahr.“Die Frage ist, in welchem Ausmaß Zugeständnisse und Änderung der Prioritäten nötig sind. Bei ihrer ersten Bestellung gaben bloß neun Stimmen von 733 den Ausschlag, diesmal ist die Gemengelage völlig ungewiss. Sollte von der Leyen im Parlament durchfallen, wäre eine ernste Europakrise die Konsequenz. in Glück für die Kandidatin, dass es keine ebenbürtigen Gegner gibt. Die Sozialdemokraten haben mit Kommissar Nicolas Schmit einen engagierten, aber weitgehend unbekannten Mann für die Spitze gefunden, die Grünen agieren mit dem Duo Terry Reintke und Bas Eickhout, die Linken halten an Martin Schirdewan und der Aktivistin Carola Rackete fest. Die Liberalen wählen eine Dreierspitze erst am 20. März, die Rechten (die allerdings oft monieren, die Kommissionspräsidentin sei „nicht gewählt“) halten überhaupt nichts vom Kandidatenprinzip.
In der Amtszeit von der Leyens sind 230 Reisen in 60 Länder dokumentiert. Es werden nicht die letzten gewesen sein.
Eoe Biden sprach ohne Teleprompter und verhaspelte sich nicht. Bei seiner „State of the Union“-Rede wirkte der USPräsident überraschend agil. Inhaltlich begann er außenpolitisch, die Ukraine wolle er weiter unterstützen: „Die Geschichte beobachtet Amerika.“Sein Vorgänger aber (Biden nannte Donald Trump nicht beim Namen) will die Nato, die von den USA gegründet wurde, um den Frieden zu erhalten, verlassen und habe zu Putin gesagt, der könne in Europa machen, was er wollte. Amerikanische Soldaten in die Ukraine zu entsenden, schloss er aus. Zudem prangerte er die dramatische Lage im Gazastreifen an, versprach mehr humanitäre Hilfe und rief Israel zu einem besseren Schutz von Zivilisten auf.
Biden versprach, gegen „Shrinkflation“(Produkte werden zum gleichen Preis, aber
Jmit weniger Inhalt verkauft) und überhöhte Kreditkartenund Telefongebühren vorzugehen. Zwei Millionen neue Wohnungen sollen die Mieten sinken lassen. Zur Immigration sagte er, dass er einen Gesetzesentwurf vorgelegt habe, die Grenze zu sichern, den die Republikaner abgelehnt hätten. Der Supreme Court, der Abtreibungsverbote ermöglicht hatte, wisse nicht, wie viel Macht Frauen hätten, er wolle gegen diese Verbote vorgehen.
Biden betonte, dass die Wirtschaft boome, es gebe Millionen neue Jobs, steigende Löhne. Er habe Studentendarlehen gestrichen und Medikamentenpreise gesenkt. Er kündigte entschlossenes Vorgehen gegen den Klimawandel und die Waffengewalt an und versprach eine Mindeststeuer von 25 Prozent für Millionäre in den USA.
Eva Schweitzer, New York
Joe Biden: „Die Geschichte beobachtet Amerika“
ie Dimensionen des Falls sind bemerkenswert: „Wir holen halb Klagenfurt über die Pack“, zeichnet Richter Andreas Lenz ein Bild zwecks Veranschaulichung der langwierigen Verhandlung am Straflandesgericht Graz. 67 Zeugen sind diesmal geladen. Ex-Patienten eines Kärntner Zahnarztes, der wegen Körperverletzung und teils schweren gewerbsmäßigen Betrugs angeklagt ist. Doch diese Vorwürfe treten jetzt beinahe in den Hintergrund. Denn es passiert etwas, „was wir so im ganzen Haus noch nie hatten.“Der beschuldigte Zahnarzt droht dem gerichtlich bestellten Sachverständigen eine Klage an, sollte dieser sein Gutachten nicht zurückziehen.
Unabhängig und unparteiisch beurteilt ein Sachverständiger ja für das Gericht einen Sachverhalt. Sein Gutachten bildet ein Grundgerüst der Anklage. Der
DSachverständige, selbst Dreifachdoktor, beschreibt die Klagsdrohung gegen ihn als „einen Einschüchterungsversuch“. Und holt gleich weiter aus: „Ich habe eine Vielzahl seiner Patienten befundet, die Angst vor ihm haben. Der Angeklagte hat auch in der letzten Verhandlung ein Aggressionspotential mir gegenüber dargelegt. Ich muss sagen, ich habe Angst vor Ihnen“, wendet er sich an den beschuldigten, doppelten Herrn Doktor. „Ich lass‘ mich aber nicht einschüchtern. Wenn man mich aber irgendwo findet, bitte ich um eine Obduktion“, erklärt der renommierte Gutachter. „Als
Sachverständiger“, findet er, „bin ich immer für eine Seite der Depperte, aber so etwas kam noch nie vor.“
„Sie drohen ihm mit einer Klage! Erklären Sie uns das“, bittet der Vorsitzende den Kärntner. Dieser sagt bestimmt: „Er soll etwas widerrufen. Dass er eine falsche Aussage im Gutachten getätigt hat.“Und weiter: „Er ist ein gewöhnlicher Skifahrer, da bei mir sitzen drei Marcel Hirscher“, lobt der Beschuldigte die Expertise seiner privat bestellten Gutachter. „Jetzt ist‘s aber aus“, zieht der Richter einen Schlussstrich unter die hitzige Debatte, um zusammenzufassen: „Sie können mit dem Gutachten nicht leben, das steckt dahinter. Und wollen einen anderen Sachverständigen – mit Mitteln, die ich nicht zulasse. Denken Sie mal nach, warum Sie auf der Anklagebank sitzen: Weil Sie Patienten vier Weisheitszähne reißen, obwohl nur einer notwendig ist.“– „Das ist falsch“, meint der Zahnarzt.
Sowohl Richter Andreas Lenz („Wir sind im Beweisverfahren. Alles wird gewürdigt werden. Dazu gehört der Sachverständige wie auch Ihre Privatsachverständigen.“) als auch Staatsanwalt Johannes Winklhofer („Die Idee, Leute zu klagen, die ihr Fachwissen dem Gericht zur Verfügung stellen, geht nicht.“) müssen den Kärntner mehrmals in die Schranken weisen. Der beruhigt sich nicht: „Mir wurde die Berufsberechtigung entzogen“, schäumt er. – „Das war aber schon vor mir“, kontert der Gutachter. Vertagt. Bis zur nächsten Reise über die Pack.
Sie drohen allen Ernstes dem Sachverständigen! Mit Mitteln, die ich sicherlich nicht zulasse. Richter zum beschuldigten Zahnarzt