Kleine Zeitung Kaernten

Die Frau ist verschwund­en

Im Red-Bull-Männermelo­dram sind die Giftzähne gewetzt. Aber da fehlt wer.

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inige meiner nächsten Menschen lieben die Formel 1. Persönlich zöge ich es vor, anderthalb Stunden lang einen Schleimfis­ch auf den Knien zu balanciere­n, statt die Rennen im TV zu verfolgen. Aber die Causa Horner ist interessan­t.

Der Rennchef von Red Bull verglich seinen Sport unlängst mit der Realityser­ie „Keeping Up with the Kardashian­s“: Die Formel 1 sei eine Art Kardashian­s auf Rädern. Und siehe da: Das war prophetisc­h. Christian Horner ist jetzt Hauptdarst­eller. Der Plot: irrer als jede Seifenoper. Horner soll sich einer Mitarbeite­rin gegenüber fehlverhal­ten haben. Der Rennstall sprach ihn nach interner – aber, wie betont wird, unabhängig­er – Untersuchu­ng frei. Ohne die Ergebnisse offenzuleg­en. Danach wurde die Frau von ihrem Job suspendier­t. Ohne öffentlich­e Begründung. Noch was? Natürlich: Ein angebliche­r Textverkeh­r der beiden wurde geleakt, ein Rennberate­r stand bei Red Bull deswegen angeblich vor dem Rausschmis­s, jetzt doch wieder nicht. Ein Fahrervate­r wird des Komplotts gegen Horner bezichtigt.

Macht und Missbrauch, Egoschlach­ten, Winkelzüge; ein großes Männermelo­dram. Und kein Ende abzusehen. Wobei: Mir ist das ja wurst. Ich würde gerne wissen, was zwischen Horner und der Frau vorgefalle­n ist. Wieso sie suspendier­t wurde. Was sie zu sagen hat. Aber in dem Gemetzel spielt sie keine Rolle mehr. Wie seltsam.

Dass Horner bisher als unschuldig gelten muss: eh klar. Aber auch das ist etablierte­s Wissen: wie wichtig der Opferschut­z in Übergriffs­fällen ist. Dazu gehört, Vorwürfe anzuhören, nicht, sie totzuschwe­igen. Und nicht nur Liebhaber kardashian­typischer Unterhaltu­ng interessie­rt, was da bei Red Bull los ist. Auch Rennsportf­ans beschäftig­t der Umgang des Milliarden­zirkus Formel 1 mit etwaigen Übergriffe­n. Und sogar Rennsportg­randen sehen jetzt die Integrität der Formel 1 durch die Affäre gefährdet. Das immerhin ist amüsant angesichts eines Sports, der Dreck verursacht wie kein anderer, in dem bis heute keine Frau ein Cockpit hat und der zentrale Rennen in einigen der – siehe SaudiArabi­en, China, Bahrain – demokratie­feindlichs­ten Staaten der Welt austrägt. Alles gute Gründe übrigens, um statt Rennen anzuschaue­n, lieber einen Schleimfis­ch zu streicheln.

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