Kriminell jung
Besser nacherziehen als bestrafen: Für viele Normbrüche von Jugendlichen ist das klug und richtig. Bei Exzessen hingegen dürfen Verschärfungen kein Tabu sein.
m Weltfrauentag durfte es kein Thema sein, es passte nicht in den frauenpolitischen Katalog klassischer Benachteiligungen: die schockierende Häufung sexueller Misshandlungen durch männliche Jugendliche, vorwiegend aus migrantischen Milieus. Ein zwölfjähriges Mädchen wur- de in Wien von einer 17-köpfigen Horde Halbwüchsiger immer wieder missbraucht. Das Marty- rium erstreckte sich über Monate. Einer der Vergewaltiger ist dreizehn. Ein anderer verließ das Land unbehelligt, aus Furcht vor Racheakten, und um sich „den Blicken zu entziehen“. Das Opfer, das das Schweigen brach, bleibt beidem ausgesetzt, den inneren Verheerungen ein Leben lang. Das Jugendstrafrecht lässt die Asymmetrie zu.
Gestern sorgte die Meldung über eine weitere Horror-Tat in Salzburg für Entsetzen: Zwei Schülerinnen, 15 und 16, waren wehrlos Opfer gefilmter sexuel- ler Gewalt geworden. Beschul- digt sind neun Jugendliche, alle aus migrantischen Herkunfts- milieus. Die Fälle rufen Erinne- rungen an ähnlich gelagerte Ver- brechen wach, an die Nacht von Köln, an die Exzesse in Linz, oder
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an den Tod einer 15-Jährigen, die von jungen Tätern ohne Bleibe- recht misshandelt und zum Ster- ben an einen Baum gelehnt wur- de.
Ist diese Häufung wirklich „anekdotischer“Natur, wie es der Präsident des Gerichtshofes im Mittagsjournal bezeichnete? Mit dieser Beschwichtigung kühlte er die Debatte um eine Herabset- zung des deliktfähigen Alters herunter. So lässt sie sich aber nicht wegmoderieren. Faktum ist, dass die Zahl schwerer Straftaten unter Jugendlichen zu- nimmt. Dass sich Brutalität und Gewalt immer ungehemmter manifestieren, inspiriert von reli- giösem Fanatismus, den sozialen Medien oder dem Patriarchat ei- ner Vormoderne. Und Faktum ist, dass die Täter immer jünger wer- den. Diese Umstände sind Grund genug, ohne Tabus über Anpas- sungen nachzudenken. Wenn sich die Wirklichkeit verschiebt, können Gesetzgebung und Judikatur nicht starr bleiben. Das hat mit Anlass-Legistik nichts zu tun. Dafür gibt es zu viele. In Zürich hat ein 15-jähriger IS-Anhänger einen Juden niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Experten loten seither die Möglichkeiten einer Verschärfung des Jugendstrafrechts samt Aberkennung des Bürgerrechts für Fälle monströser Gewalt aus. Einen solchen Pragmatismus wünschte man sich auch hierzulande. In der Schweiz beginnt die Strafmündigkeit mit zehn, und das heißt nicht, dass dort lauter Delinquenten mit Zahnspangen einsitzen. Es heißt nur mehr Konsequenz und Kontrolle und weniger Naivität. s geht nicht darum, die Säulen der Jugendgerichtsbarkeit zu schleifen und Kinder wegzusperren. Am Ziel einer erzieherisch-therapeutischen Grundausrichtung soll nicht gerüttelt werden. Aber dort, wo aus den Taten kein Kindsein mehr spricht, darf ein 14. Lebensjahr kein unumstößlicher Schutzwall mehr sein und auch kein Grund, sich diesen nicht zu stellen. In Zürich waren es übrigens Jugendliche, die den Amoktäter überwältigten und das Opfer retteten. Auch das: Jugend.
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