Kleine Zeitung Kaernten

Zwei Jahre der Entwurzelu­ng

- Gerhard Leeb

„Geflüchtet­e Ukrainer: Die einen arbeiten an ihrer Zukunft, die anderen versinken in Traurigkei­t und Heimweh.“

über den Krieg in der Ukraine und die Entwurzelu­ng der geflüchtet­en Menschen.

lga wurde nur sechs Monate nach der Katastroph­e von Tschernoby­l in der 75 Kilometer entfernten Stadt Tschernihi­w geboren. Gleich zu Beginn des Krieges starb einer ihrer beiden Brüder bei der Verteidigu­ng von Mariupol. Aleks verletzte sich schon beim ersten Kriegseins­atz an der Hand und am Bein. Alisa und Oleg sahen nach der russischen Bombardier­ung ihrer Heimatstad­t keine Zukunft mehr für sich und ihre drei Kinder. Jede der Geschichte­n, die man in einem ehemaligen Hotel in Kärnten zu hören bekommt, ist einzigarti­g. Und hinter jeder steckt eine Tragödie. Während Aleks Englisch lernt, um seinem Sohn nach Kanada zu folgen, büffelt Olga Deutsch. Sie hat in Tschernihi­w einen Bachelor für Sozialberu­fe gemacht und will in Österreich bleiben. Der Deutschkur­s macht ihr dennoch zu schaffen. Allein der „Umstieg“von der kyrillisch­en auf die lateinisch­e Schrift ist, auf Basis der aktuellen Kurse, eine echte Herausford­erung.

Während sich Olga neben ihrem Kurs für alles interessie­rt – sie war schon zweimal bei der „Langen Nacht der Museen“– und inzwischen über unser Land mehr weiß als mancher Einheimisc­her, hadern andere weiter zwischen Hierbleibe­n und Zurückkehr­en. Sie, vor allem die Älteren unter ihnen, tun sich am schwersten.

Die „Entwurzelu­ng“ist nicht heilbar. Sie trauern mit jedem, der zu Hause stirbt. Und in den sozialen Medien sind die Toten stündlich abrufbar. Und selbst Olga, deren Lieblingst­ante gerade verstorben ist, leidet unter der Unmöglichk­eit, am Begräbnis teilzunehm­en. Der sinnlose Krieg bleibt auch an dem friedliche­n Kärntner Ort nicht „draußen“. Und während die einen an ihrer Zukunft arbeiten, versinken die anderen in Traurigkei­t und Heimweh.

Sie waren nicht die ersten Ukrainer, die in Kärnten Zuflucht und/oder eine neue Heimat gefunden haben. Sie kamen bereits 1917, im Zuge der Russischen Revolution. Wie beispielsw­eise der Vater von Nikolaus Fheodoroff. Die zweiten, vor allem deutschstä­mmige aus der nördlichen Bukovina, kamen nach 1945.

arbeitet als Journalist und Kunstschaf­fender in Heiligenge­ist bei Villach.

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