Gegen den Trend im Trend
Die Salzburg-Wahl fällt, wie jene in Graz, aus der österreichischen Norm. Dennoch hält sie einige Botschaften Richtung Wien und Steiermark bereit.
er Wettkampf um die politischen Mehrheiten in der Landeshaupt- und Festspielstadt Salzburg, der international für Schlagzeilen gesorgt hat, lässt sich auf viele Lesarten interpretieren: als Dop- pelsieg in Rot und Dunkelrot, als Desaster in Türkis, als Zwi- schensieg eines stimmentech- nischen Verlierers und noch etli- che mehr.
Die vielleicht treffendste In- terpretation zielt auf einen gänzlich anderen Aspekt dieses mit Spannung erwarteten Wahlgangs – und ist die mit Abstand nüchternste und frei von jedem ideologischen Überbau: Denn gewonnen haben in der Mozartstadt mit Bernhard Au- inger und Kay-Michael Dankl nicht nur ein Vertreter der Sozi- aldemokratie und der Kommu- nisten, sondern schlicht auch die beiden mit Abstand bekanntesten Gesichter. Das klingt ba- nal, kann in der Politik aber be- sonderes Gewicht entwickeln.
Dem Grazer Dankl gehören seit der Landtagswahl 2023, wo er in der Stadt Salzburg Platz zwei erobern konnte, die Auf- merksamkeit. Und Auinger mag es an Charisma fehlen, doch am Sonntag stand der Vizebürger
Dmeister zum dritten Mal als Spitzenkandidat der SPÖ auf dem Wahlzettel. Sämtliche an- deren Parteien, allen voran die Noch-Bürgermeister-Partei ÖVP, entschieden sich, mit weitge- hend unbekannten Gesichtern den Wahlkampf zu wagen.
Bundespolitisch handfeste Rückschlüsse aus diesem ersten Wahlgang im Superwahljahr 2024 lassen sich nur bedingt zie- hen, zu vielfältig sind die Fakto- ren solcher Persönlichkeitswah- len im schwer aufzudröselnden Zusammenspiel mit der Groß- wetterlage der Republik.
Außer Zweifel steht der Sturm, gegen den sich die ÖVP behaupten muss. Wo die Kanz- lerpartei ihre Position zu halten vermochte, verdankte sie dies den Personen und Traditionen vor Ort, aber nicht Parteichef Karl Nehammer. SPÖ-Chef An- dreas Babler kann sich über die absehbare Rückeroberung der Landeshauptstadt freuen. FPÖ
Chef Herbert Kickl wird das schlechte Abschneiden seiner Partei leichter verschmerzen als Grüne und Neos, die Verluste hinnehmen mussten. Er weiß sich bestätigt, dass die Lust am Protest ungebrochen groß ist.
Jubeln kann die KPÖ, doch auch für die Kommunisten lässt sich das Salzburger Ergebnis nicht einfach auf den Bund übertragen. Hier trägt die Partei mit ihrer Geschichte noch ein deutlicheres Kainsmal auf der Stirn, zumal auch Spitzenkandidat Tobias Schweiger weder über die Bekanntheit noch die Sympathiewerte von Dankl oder der Grazer Überfigur Elke Kahr verfügt. Zudem droht Start-upKonkurrenz von Dominik Wlaznys Politik-Projektionsfläche Bierpartei. ie entscheidende Frage für die Nationalratswahl wie die steirische Landtagswahl im Herbst bleibt jene nach dem Vertrauen, und zwar in die Personen wie die von diesen verkörperte und behauptete Politik. Und dann stellt sich die Frage nach dem Abschneiden in den Hauptstädten, in Wien wie in Graz, wo die Wähler längst in einem völlig anderen Rhythmus ticken. Frag nach bei der KPÖ.
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