Hubert Patterer
Das politische Comeback des Neos-Gründers Veit Dengler.
Was treibt Sie zurück in die politische Arena? Ich war ja schon einmal Quereinsteiger. Vor zwölf Jahren sind Matthias Strolz und ich übereingekommen, dass wir etwas verändern wollen im Land. Daraus sind die Neos entstanden. Dann habe ich ein tolles Angebot aus der Schweiz bekommen. Meine Mission des Einzugs ins Parlament war ohnehin vollendet. Seitdem habe ich mir die Entwicklung von der Seite angeschaut. Ich bin froh darüber, wie sich das entwickelt hat. Jetzt denke ich mir, ich steig’ wieder ein und versuche, dem Projekt neuen Schwung zu geben. Das Land steht noch problematischer da als vor zwölf Jahren. Wir haben die höchste Steuerquote und den höchsten Schuldenstand.
VEIT DENGLER: Über den Wahlausgang in Salzburg können Sie nicht froh sein. Die Partei sitzt in einem urbanen Umfeld gerade noch mit einem Mandat im Gemeinderat. Was läuft schief?
Die Ränder profitieren, da sie präsent sind und einfache, wenn auch falsche Lösungen für die wichtigen Themen Migration und Wohnen plakativ vermitteln. Die Neos haben mit der anhaltenden Schwäche von SPÖ und ÖVP reichlich Platz für Wachstum. Wir müssen aber unsere Hausaufgaben machen, vor Ort überall präsent sein und Persönlichkeiten aufbauen. Wir sind in den Flächenbundesländern einfach nicht präsent genug, da wartet viel, viel Arbeit, Kärrnerarbeit. Wir müssen uns auch inhaltlich mehr trauen. Aufbau in allen Teilen Österreichs und mutige Lösungen mit klaren Botschaften: Das muss strategische Priorität sein. Kommunalwahlen lassen keine direkten Rückschlüsse auf den Bund zu, aber Salzburg Land und Stadt sind ein Warnschuss.
Sind die Wachstumsstörungen der Neos nicht auch ein Indiz, dass das liberale Potenzial in Österreich über eine begrenzte Nische nicht hinausreicht?
Das sind alte Labels. Ich bin mir nicht sicher, ob sie die Welt heute wirklich noch reflektieren. Eine Partei der Mitte wie die Neos muss den Anspruch haben, Mittelpartei zu werden wie ÖVP, SPÖ und FPÖ. Ich sage nur Macron: Er ist in einem so polarisierten Land wie Frankreich, wo es nie eine liberale Partei gab, fast aus dem Stand größte Partei geworden. Die Wählerschaft ist mobil und fluid geworden. Es gibt ein Bedürfnis für Parteien, wenn sie klare Anliegen haben und das Land nach vorne bringen wollen. Wenn Programm und Personen übereinstimmen, ist vieles möglich. Nach oben wachsen heißt nicht nur, dass wir über zehn Prozent kommen.
Warum kann eine Partei wie die Neos aus der Erosion der Mitte keinen Nutzen ziehen, wenn sie sich als Mitte begreift?
Das Problem in Österreich ist, dass die Parteien so reich sind. Wir leisten uns die höchste Parteienförderung in Europa, die zweithöchste der Welt. Das heißt, dass die etablierten Kräfte einen Speckgürtel um sich aufbauen können, der sie schützt. Wo das Geld immer nach den jüngsten Wahlergebnissen verteilt wird, wirkt das System extrem strukturkonservativ.
Die Partei wird ideologisch als hybrides Gebilde wahrgenommen: eher links in der Gesellschaftspolitik und eher neoliberal in Wirtschaftsfragen. Gibt es diesen Wählertypus überhaupt?
Diese alten Etiketten bedeuten nichts mehr. Neoliberal ist in Österreich überhaupt nichts. Bei uns gilt schon jemand als neoliberal, wenn er darauf hinweist, dass das Geld, das wir verteilen, zuerst erwirtschaftet werden muss, dass auch der Wohlstand dafür geschaffen werden muss. Wir melken nicht die Kuh, um uns ein Sozialsystem zu leisten, sondern wir bringen die Kühe reihenweise um. Und irgendwann gehen uns die Kühe aus.
Sie haben die vergangenen Jahre in der Schweiz und in Deutschland gearbeitet. Wie haben Sie das Land von außen wahrgenommen?
Ein bisschen ist es so wie bei unseren Schifahrern. Wir werden jedes Jahr ein bisschen schlechter. Auf Dauer potenziert sich das. An der Oberfläche geht es dem Land noch recht passabel, aber wir leben und zehren von der alten Substanz. Jahrgangs die Schulen und kann funktional nicht rechnen und nicht lesen und nicht schreiben. Das sind funktionale Analphabeten, die da heranwachsen. Junge Leute, die Schwierigkeiten haben werden, eine erfüllende Arbeit zu finden, die in Gefahr sind abzugleiten und sich in dieser modernen Welt nicht zurechtfinden werden. Das ist völlig unverantwortlich. Aber das ist in diesem Land kein Thema. Stattdessen werden irgendwelche Säue durch die Dörfer getrieben. Schnitzelprämien, was weiß ich.
War das Mitgehen der Neos beim Gesetz zur Impfpflicht ein liberaler Sündenfall?
Er war Mitbegründer der Neos. Jetzt kehrt er aus dem Ausland zurück und stellt sich den pinken Vorwahlen zur Nationalratswahl: der Verlagsmanager Veit Dengler über den Zustand der Partei und des Landes.
Die Neos waren in der Frage gespalten. Ich persönlich war dagegen. Ich glaube, das war ein falscher Weg. Es gab redliche Absichten dahinter, aber es war das falsche Gesetz zum falschen Zeitpunkt.
Die Neos leisten sich mit der Kritik an der Neutralität eine PoVon
Die Schweden waren 200 Jahre neutral, und sie haben es geschafft, als sich die Welt verändert hat, ihre Sicherheitspolitik tabufrei zu hinterfragen. Das müssen wir in Österreich auch: lernen, offen darüber zu reden. Sicherheitspolitik kann nicht mehr heißen: Wir sind das einzige Haus im Dorf, das weder eine Versicherung hat noch irgendwas zur Freiwilligen Feuerwehr beiträgt. Aber bitte, wenn es brennt, sollte auch bei uns gelöscht werden. Dieser parasitäre Pazifismus ist keine Sicherheitspolitik. Wir werden uns mit anderen gemeinsam um unsere Sicherheit kümmern müssen. Und dann wäre es gut, wenn es eine europäische Armee gäbe. Die gibt es aber nicht. Das Einzige, was es zurzeit gibt, ist die NATO. Sie ist das erfolgreichste Bündnis, also wären wir da gut zu Hause.
Das Wichtigste ist nicht das Mitregieren. Das Wichtigste ist die Frage: Wie kann man das Land verändern? Dazu braucht es eine klare Handschrift. Wenn die nicht sichtbar ist, verblutet man wie die deutschen Liberalen in der Ampelregierung. Und dann braucht es eine gewisse Größe. Die Partei hat sich etabliert und ist Teil der politischen Landschaft geworden. Das ist gut. Aber als eine Acht-Prozent-Partei, die vielleicht auf zehn Prozent anwächst, ist man einfach nicht stark genug, um wirkliche große Veränderungen im Land anstoßen zu können. Deswegen müssen wir jetzt die nächste Kurve nach oben nehmen. Daran möchte ich als Parlamentarier gerne mitwirken.