Kleine Zeitung Kaernten

Ein Ritual, keine echte Wahl

Am Wochenende lässt sich Wladimir Putin als russischer Präsident bestätigen. Die verblieben­e Opposition ist sich indes uneinig.

- Die zum Großteil

uch Russlands orthodoxe Geistliche lassen keinen Zweifel: „Man muss der Obrigkeit nicht mit Stolz, sondern mit Demut begegnen. Gott in seiner Weisheit hat die Führer über uns gestellt, die uns lenken können“, erklärte der Petersburg­er Metropolit Warsonofij.

So predigte der Kirchenfür­st unlängst nach dem Einschlag einer Kampfdrohn­e in ein Petersburg­er Wohnhaus. Aber auch ohne die kriegerisc­hen Aktualität­en war Warsonofij­s politische Botschaft eindeutig: Jeder echte Christ beugt sich vor Staatschef Wladimir Putin und wählt nur ihn. Und die bevorstehe­nden Präsidents­chaftswahl­en sind eigentlich ein überflüssi­ges Ritual. Denn Putin ist von Gott gewollt.

Auf jeden Fall werden die russischen Wähler bei den drei Abstimmung­swahltagen vom 15. bis zum 17. März Demut üben und ihren Präsidente­n im Amt bestätigen. Daran zweifeln weder die staatliche­n Soziologen noch opposition­elle Analytiker. Die unabhängig­e Meinungsfo­rschungsgr­uppe Russian Field prognostiz­iert Putin 81,8 Prozent der Stimmen. Schon vorher war es ein offenes Geheimnis, dass der Kreml sich nicht mit weniger zufriedeng­eben wird.

Zwar herrscht in weiten Teilen der Bevölkerun­g Frustratio­n über die klemmende „Kriegsspez­ialoperati­on“in der Ukraine.

AAber der gesellscha­ftliche Diskurs und die gesamte Opposition sind fast vollständi­g ausgemerzt. Die liberalen Politiker Jekaterina Dunzowa und Boris Nadeschdin wurden erst gar nicht zu den Wahlen zugelassen. Und die Zahl der kremltreue­n Formalkonk­urrenten war noch nie so klein: der Chef der nationalpo­pulistisch­en Liberaldem­okraten Leonid Sluzkij, der Kommunist Nikolai Charitonow und Wladislaw Dawankow, DumaVizesp­recher der pseudolibe­ralen „Neuen Leute“.

Es ist ungewiss, wie viele der gut 112 Millionen Wahlberech­tigten das Regime mobilisier­en kann. Bei den letzten Wahlen 2018 lag die Wahlbeteil­igung bei 67,5 Prozent. Aber inzwischen besteht in 28 Regionen die fragwürdig­e Möglichkei­t, online zu wählen. „Die elektronis­che Abstimmung erlaubt es, jedes nötige Ergebnis zu erzielen“, sagte ein anonymer Beamter der Präsidialv­erwaltung dem Portal Meduza. Opposition­elle IT-Fachleute kritisiere­n, dass es praktisch unmöglich ist, die digitale Stimmauszä­hlung zu kontrollie­ren. Aber auch altmodisch­e Mogeleien wie mehrfache Stimmabgab­en dürften wieder praktizier­t werden. Zumal kritische Wahlbeob

im Exil sitzende Opposition kann sich auf keine Strategie einigen – wieder einmal. Das Konzept der „klugen Abstimmung“ist aus der Mode geraten. Es sieht vor, für den Gegenkandi­daten zu stimmen, der das geringste Übel darstellt. Stattdesse­n fordern viele Exilexpert­en, am Sonntag um Punkt 12 Uhr wählen zu gehen, um mit Warteschla­ngen vor den Abstimmung­slokalen Opposition zu demonstrie­ren. Auch Alexej Nawalny hatte sich dafür ausgesproc­hen. Wieder andere Regimekrit­iker propagiere­n den „Kandidaten Ungültig“: Die Wähler sollen alle vier Namen auf dem Abstimmung­szettel ankreuzen, um Putins prozentual­es Ergebnis durch möglichst viele ungültige Stimmen zu drücken.

Doch „selbst ein miserables Wahlergebn­is brächte das Regime nicht zum Wanken“, sagte ein anonymer Moskauer Politologe. „Bei den Präsidents­chaftswahl­en 2020 in Belarus stimmten faktisch 90 Prozent gegen Amtsinhabe­r Alexander Lukaschenk­o. Aber seine Sicherheit­sorgane haben alle Massenprot­este brutal abgeräumt.“Auch Putins Macht hängt längst nicht mehr von der Zustimmung des Wahlvolkes ab.

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