Aufspringen auf den EU-Zug
Wer, wie Bosnien-Herzegowina, Teil der EU werden will, muss die Anforderungen von Grund auf erfüllen. Die Frage lautet langsam: Was muss die EU dafür tun?
s war keine Überraschung, als gestern Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im EU-Parlament in Straßburg verkündete, Bosnien-Herzegowina sei reif für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Ein entsprechender Punkt befindet sich bereits auf der Tagesordnung des EU- Gipfels kommende Woche, also musste man davor noch die for- malen Kriterien erfüllen.
Bosnien, für das sich auch das offizielle Österreich sehr stark- gemacht hat, habe innerhalb ei- nes einzigen Jahres „größere Fortschritte erzielt als in den zehn Jahren davor“, sagte die Präsidentin. Das zu beurteilen obliegt ihrer Behörde, die politi- sche Entscheidung, wie es wei- tergeht, kommt in der Tat den 27 Staats- und Regierungschefs zu. In Brüssel und Straßburg zeigt man sich bemüht, die Erwar- tungshaltung nicht überzustra- pazieren; es liege noch ein lan- ger Weg vor dem 3,2 Millionen Einwohner großen Land. Das weiß man auch in Sarajevo.
Nun ist es nur noch der Koso- vo, der im Status einer „Europäi- schen Perspektive“verharren muss. Der Westbalkan, die Ukraine, Moldau, Georgien und
Andreas.Lieb@kleinezeitung.at
Edie Türkei hängen in der Zwi- schenwelt fest, auf völlig unter- schiedlichen Ebenen, insgesamt zehn Länder. Noch einmal sei an die Türkei erinnert: Sie ist seit 1999 Kandidat und seit 2005 dort, wo Bosnien-Herzegowina jetzt ist. Seit 19 Jahren. Mit mehr Rückschritten als Fortkommen. Serbien ist seit zehn Jahren EU- Verhandlungspartner und scheint sich von der Union in- zwischen weiter entfernt zu ha- ben als vor dem Beitrittsantrag.
An all dem führt kein Weg vorbei, es gibt keine Alternative. Nicht nur, weil die Länder von sich aus in die EU wollen, auch aus umgekehrter Perspektive reicht ein Blick auf die Landkar- te, um die Sinnhaftigkeit der Be- mühungen zu erkennen. Russi- sche, türkische oder chinesische Inseln mitten in Europa würden zu einem permanenten geopolitischen Sperrfeuer führen.
Während nun aber die Spielre- geln für die Kandidaten klar definiert sind (für die Absolventen unseres EU-Quiz letzte Woche: die berühmten „KopenhagenKriterien“) sieht sich inzwischen die EU selbst mit der Frage konfrontiert, welche Anforderungen sie dafür zu erfüllen hat. Es ist vollkommen klar, dass der Annäherungsprozess nicht husch-pfusch erledigt werden kann, sondern viele Jahre dauern wird, das gilt auch für die Ukraine. Die schrittweise Annäherung, in der etwa nach und nach Lockerungen für den Binnenmarkt oder Reiseerleichterungen einsetzen und die Implementierung der EU-Regeln beginnt, zwingt die Union aber schon davor dazu, sich mit den künftigen Gegebenheiten auseinanderzusetzen. llen ist klar, dass die Erweiterung mittelfristig nur möglich ist, wenn sich die EU-Programme und die Abläufe an die veränderten Gegebenheiten anpassen, das ist eine riesige Aufgabe. Bis es aber soweit ist, müssen die Strukturen bereits mit den Ländern im Wartesaal verknüpft sein.
Für das neue Parlament und die neue Kommission wird das einer der zentralen Jobs sein, und kein leichter.
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