Franziskus auf Abwegen
Schweigen ist Gold, manchmal sogar für den Papst, der sich selbst, dem Petrusamt, der Ukraine und dem Westen mit seinen Äußerungen keinen guten Dienst erweist.
Wenn sich der Papst auf das weite Feld der Politik begibt, dann ist das nicht selten ein risikoreiches Unterfangen. Je konkreter er sich äußert, desto verminter wird das Gelände, und nicht jeder Pontifex hat die Statur und traumwandlerische Sicherheit von Johannes Paul II., dem visio- nären Polen, der wesentlich zum Fall des Kommunismus beitrug.
Sein Nachfolger etwa machte die bittere Erfahrung, dass man als Papst – gewollt oder unge- wollt – zu deutliche Worte wäh- len kann. Als der scheue Gelehr- te Joseph Ratzinger nicht lange nach seiner Wahl in eine Rede in Regensburg ein Zitat aus einem mittelalterlichen Text einflocht, das kein gutes Haar am Prophe- ten Mohammed ließ, fegte ein Orkan des Protests durch die is- lamische Welt. Benedikt XVI. scheiterte im Petrusamt auch daran, dass er der politischen Di- mension seines Amtes nicht gerecht zu werden vermochte.
Franziskus, der erste Pontifex aus Lateinamerika, ist da aus anderem Holz geschnitzt. Er ist wohl kein so großer Theologe wie sein Vorgänger und frus- triert mit seinem Zickzackkurs zwischen Tradition und Reform
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konservative wie progressive Katholiken. Aber mit seiner Spontaneität hat er in den elf Jahren seines Pontifikats einiges bewegt und den Blick weg von der obsessiven Beschäfti- gung mit der Sexualmoral hin auf die großen existenziellen Fragen der Gegenwart gelenkt.
Diese Leistung kann man nicht hoch genug einschätzen. Wie der Eklat um die Aussagen des Papstes zur Ukraine belegt, ist Spontaneität freilich ein zweischneidiges Schwert. Sie macht Franziskus zwar menschlich und sympathisch, aber auch angreifbar und anfäl- lig für politische Torheiten.
Keiner seiner Vorgänger hätte sich je ohne Absprache mit seinem Staatssekretariat in einem großen Interview zum Krieg in der Ukraine geäußert. Was nur hat den Papst geritten, die Ukraine zum Hissen der weißen Fahne gegenüber dem russi- schen Aggressor aufzufordern?
Ist es der linke Antiamerikanismus eines Lateinamerikaners, der sich da Bahn bricht, der antiimperialistische Reflex eines Mannes aus dem Süden? Ein naiv-illusionärer und radikaler Pazifismus, wie man ihn heute immer öfters in den christlichen Kirchen – auch in der katholischen – findet? Oder einfach nur politische Unbedarftheit?
Die Worte des Papstes sind auch deshalb so irritierend, weil es gar nicht gesagt ist, dass die Ukraine bereits den Krieg verloren hat, Franziskus damit die Anstrengungen Kiews und des Westens unterläuft, das Land vor Putins Knute zu bewahren, und es seit Augustinus (354– 430) das theologische Bemühen der Kirche gibt, einen Krieg unter gewissen Umständen für gerechtfertigt zu halten, nämlich u. a. dann, wenn ein Volk sich in Notwehr verteidigen muss. nd das Wichtigste, das Franziskus übersieht: Selbst wenn die Ukraine kapituliert, bedeutet das keineswegs Frieden, sondern im Gegenteil Tod, Terror, Vertreibung, Verfolgung und den Gulag für Zehntausende ihrer Einwohner. Und es wird Putins Appetit auf noch mehr Beute nur steigern.
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