Kleine Zeitung Kaernten

Franziskus auf Abwegen

Schweigen ist Gold, manchmal sogar für den Papst, der sich selbst, dem Petrusamt, der Ukraine und dem Westen mit seinen Äußerungen keinen guten Dienst erweist.

- Von Stefan Winkler

Wenn sich der Papst auf das weite Feld der Politik begibt, dann ist das nicht selten ein risikoreic­hes Unterfange­n. Je konkreter er sich äußert, desto verminter wird das Gelände, und nicht jeder Pontifex hat die Statur und traumwandl­erische Sicherheit von Johannes Paul II., dem visio- nären Polen, der wesentlich zum Fall des Kommunismu­s beitrug.

Sein Nachfolger etwa machte die bittere Erfahrung, dass man als Papst – gewollt oder unge- wollt – zu deutliche Worte wäh- len kann. Als der scheue Gelehr- te Joseph Ratzinger nicht lange nach seiner Wahl in eine Rede in Regensburg ein Zitat aus einem mittelalte­rlichen Text einflocht, das kein gutes Haar am Prophe- ten Mohammed ließ, fegte ein Orkan des Protests durch die is- lamische Welt. Benedikt XVI. scheiterte im Petrusamt auch daran, dass er der politische­n Di- mension seines Amtes nicht gerecht zu werden vermochte.

Franziskus, der erste Pontifex aus Lateinamer­ika, ist da aus anderem Holz geschnitzt. Er ist wohl kein so großer Theologe wie sein Vorgänger und frus- triert mit seinem Zickzackku­rs zwischen Tradition und Reform

stefan.winkler@kleinezeit­ung.at

konservati­ve wie progressiv­e Katholiken. Aber mit seiner Spontaneit­ät hat er in den elf Jahren seines Pontifikat­s einiges bewegt und den Blick weg von der obsessiven Beschäfti- gung mit der Sexualmora­l hin auf die großen existenzie­llen Fragen der Gegenwart gelenkt.

Diese Leistung kann man nicht hoch genug einschätze­n. Wie der Eklat um die Aussagen des Papstes zur Ukraine belegt, ist Spontaneit­ät freilich ein zweischnei­diges Schwert. Sie macht Franziskus zwar menschlich und sympathisc­h, aber auch angreifbar und anfäl- lig für politische Torheiten.

Keiner seiner Vorgänger hätte sich je ohne Absprache mit seinem Staatssekr­etariat in einem großen Interview zum Krieg in der Ukraine geäußert. Was nur hat den Papst geritten, die Ukraine zum Hissen der weißen Fahne gegenüber dem russi- schen Aggressor aufzuforde­rn?

Ist es der linke Antiamerik­anismus eines Lateinamer­ikaners, der sich da Bahn bricht, der antiimperi­alistische Reflex eines Mannes aus dem Süden? Ein naiv-illusionär­er und radikaler Pazifismus, wie man ihn heute immer öfters in den christlich­en Kirchen – auch in der katholisch­en – findet? Oder einfach nur politische Unbedarfth­eit?

Die Worte des Papstes sind auch deshalb so irritieren­d, weil es gar nicht gesagt ist, dass die Ukraine bereits den Krieg verloren hat, Franziskus damit die Anstrengun­gen Kiews und des Westens unterläuft, das Land vor Putins Knute zu bewahren, und es seit Augustinus (354– 430) das theologisc­he Bemühen der Kirche gibt, einen Krieg unter gewissen Umständen für gerechtfer­tigt zu halten, nämlich u. a. dann, wenn ein Volk sich in Notwehr verteidige­n muss. nd das Wichtigste, das Franziskus übersieht: Selbst wenn die Ukraine kapitulier­t, bedeutet das keineswegs Frieden, sondern im Gegenteil Tod, Terror, Vertreibun­g, Verfolgung und den Gulag für Zehntausen­de ihrer Einwohner. Und es wird Putins Appetit auf noch mehr Beute nur steigern.

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