Schau mir in die Augen, Kleiner!
Joerg Burgers Doku ist eine packende, überraschende und liebevolle Reise ins Eingeweide des Naturhistorischen Museums.
Die Flügeldecken der Käfer schimmern, farblich sortierte Schmetterlinge liegen symmetrisch arrangiert hinter Schaukästen und bunte Vögel lagern Federkleid an Federkleid drapiert in Schubladen: Das Naturhistorische Museum in Wien ist eine Wunderkammer voller Geschichten, Kostbarkeiten, Skurrilitäten, Handwerkskunst und Forschungssensationen. Die Sammlung ist so groß, dass mitunter nicht einmal das Museum selbst den Überblick hat.
Der Wiener Dokumentarfilmer Joerg Burger („Elfie Semotan, Photographer“) versucht, Licht in die Eingeweide und die mehr als 30 Millionen Objekte zu bringen, die hier im Lauf der Jahrhunderte gesammelt wurden. In „Archiv der Zukunft“leuchtet er jene Bereiche aus, die dem Publikum bei einem Museumsrundgang gewöhnlich verwehrt bleiben. Er zoomt auf die Archivarbeit, die historischen Objekte, die auch Aufschlüsse über die Gegenwart und Zukunft geben, und die Sicherung des Materials. Die Generaldirektorin der zweitgrößten Forschungseinrichtung des Landes, Katrin Vohland, fasst zusammen: „Wir machen Grundlagenforschung für all das, was draußen und auch im Weltall vorhanden ist.“Wer zuschaut, erhält auch einen kurzweiligen Crashkurs über die Notwendigkeit von Grundlagenforschung und den Wert von Biodiversitätsarchiven, mit denen, so formuliert es ein Experte, Zeitreisen möglich wären.
hat Burger mit seiner Kamera hinter die Kulissen geblickt und er findet großartige Momente wie jenen einer präparierten Giraffe, die durch den Prunksaal gerollt wird, einen kürzlich verstorbenen Löwen auf dem Seziertisch, die an die aktuelle Forschung angepasste Haltungskorrektur eines Dinosaurierskeletts. Knochen werden aneinander geschraubt, es wird gesägt, gehämmert und die Venus von Willendorf im 3DScan beäugt.
Visuell gibt das Museum alles her: drapierte Skelette, Affen, die einen anschauen, Elefantenhaut-Handwerk, MineralogieFunkeln und Eisbären, die ausschauen, als wären sie bei einer
Vier Jahre lang
Akupunktur-Behandlung. Die Evolution hat sich in die Geschichte der Sammlung und auch jene des Hauses mit dem imposant-kaiserlichen Treppenaufgang eingeschrieben; und damit auch das Eingebundensein der Menschen in das Mensch-Natur-Gefüge. Dabei scheut sich die Doku nicht vor Erzählungen von gewaltvollen Aneignungsprozessen und Ausrottung wie etwa des Blaubocks, einer Antilopenart.
Burger findet euphorische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ebenso engagierte Freiwillige, die helfen, den immensen Forschungsapparat am Laufen zu halten. Eine ruhige, reflektierte und durchaus humorvolle Bestandsaufnahme des Museums.