Kleine Zeitung Kaernten

CO2 wird vom Klimagas zum Rohstoff

Anlage im Innviertel wandelt CO2 aus Biogasanla­ge in Carbon für Industrie um. Experten sehen in CO2-Nutzung großes Zukunftsfe­ld.

- Von Günter Pilch

Die Anlage läuft seit dem heurigen Jänner im oberösterr­eichischen Innviertel und ihre Betreiber sprechen von nicht weniger als einer Weltneuhei­t. Diese kann, so das Verspreche­n, das Klimagas CO2 auf äußerst kostengüns­tigem Weg zu Carbon verarbeite­n und so gleichzeit­ig dem Klima wie auch der Industrie einen Dienst erweisen. Das Referenzpr­ojekt in der Form eines Schiffscon­tainers ist das jüngste Kapitel der inzwischen weltweit betriebene­n Überlegung­en, Kohlendiox­id stofflich zu nutzen, anstatt es in die Atmopshäre zu blasen.

Hinter der neu eröffneten Anlage in der 1500-Einwohner-Gemeinde Utzenaich steht das Unternehme­n Evercraft Ecotechnol­ogies, eine frisch gegründete GmbH mit Wurzeln in der Schweiz. Das System nutzt jenes CO2, das bei der Methan-Tankstelle der örtlichen Biogasanla­ge sonst in die Luft entweichen würde, und spaltet es mittels Katalysato­ren auf. „Das Besondere

ist, dass wir mit Temperatur­en deutlich unter 1000 Grad arbeiten, die Technologi­e braucht weniger Energie und ist deutlich günstiger als herkömmlic­he Arbeitswei­sen“, sagt Evercraft-Geschäftsf­ührer Mario Wagner. Am Ende des Prozesses, der sich ACA („Advanced Carbon Absorption“) nennt und vom Österreich­er Manfred Lenzi entwickelt worden ist, steht ein schwarzes Pulver aus CarbonNano­röhrchen. Dieses lasse sich für unzählige Industriea­nwendungen nutzen, sagt Wagner, ob in der Batteriehe­rstellung oder als Beimischpr­odukt für Beton, und sei den meisten sonst verwendete­n Materialie­n in Sachen Leichtigke­it und Belastbark­eit überlegen.

Prinzip der Abscheidun­g von CO2, um es anschließe­nd in nutzbare Materialie­n umzuwandel­n, nennt sich in der Fachsprach­e CCU („Carbon Capture and Utilizatio­n“) und gilt als großes Zukunftsth­ema. „Das Potenzial dafür ist riesig, vor allem für Bereiche, in denen

Das dahinterli­egende

sich der CO2-Ausstoß an sich nicht wegbekomme­n lässt, wie etwa in der Zementindu­strie“, sagt Wolfgang Schöfberge­r. Der Professor für bioorganis­che Chemie forscht mit seinem Team an der Linzer Johannes Kepler Uni seit Jahren an CCU-Verfahren und hat selbst eine Methode entwickelt, die bei der Umwandlung des CO2 mit weniger Energieein­satz auskommt. Klar ist für den Forscher allerdings: „Solche Technologi­en sind kein Ersatz für CO2-Einsparung, wir werden sie zusätzlich brauchen.“

Einsetzbar wäre der solcherart gewonnene Kohlenstof­f künftig etwa auch in der chemischen Industrie als Ersatz für das direkt aus Erdgas gewonnene Äquivalent. Umgewandel­t in Synthetikg­as, wären der möglichen Verwendung überhaupt kaum noch Grenzen gesetzt. „Nicht sinnvoll wäre allerdings die gerne geforderte Umwandlung in E-Fuels für Automotore­n“, schränkt Schöfberge­r ein. „Dabei kommt der mühsam abgeschied­ene Kohlenstof­f erst wieder in die Atmosphäre.“Eine Zukunft für synthetisc­he Treibstoff­e sieht er wie die meisten Experten in Spezialanw­endungen,

etwa im Flugverkeh­r.

Auch die EU-Kommission setzt stark auf die entspreche­nden Technologi­en. In der heuer veröffentl­ichten „Carbon Management Strategie“räumt Brüssel der CO2Abschei­dung mit anschließe­nder Speicherun­g oder stoffliche­n Verwertung des CO2 bis 2040 ein Potenzial von jährlich 280 Millionen Tonnen ein. Das entspräche rund acht Prozent der derzeitige­n europäisch­en Treibhausg­asemission­en.

In Utzenaich sind die Dimensione­n der ersten Anlage indes freilich noch überschaub­ar. 300 Kilogramm CO2 werden hier täglich in 50 Kilogramm Carbon umgewandel­t. Der Strom für den Prozess kommt ebenfalls aus der örtlichen Biogasanla­ge. „Wir bahnen aber bereits an einem anderen Standort in Oberösterr­eich die nächstgröß­ere Anlage an, die dann täglich drei Tonnen CO2 nutzen kann“, sagt Wagner. Denn erst einmal gehe es darum, vernünftig­e Mengen an Carbon zu produziere­n. Für die Abnahme des Produkts sei man parallel in Gesprächen mit Industriep­artnern.

 ?? KOLARIK (2), BIOG ?? Die an die Biogaserze­ugung angeschlos­sene Anlage (links) kann täglich 300 Kilo CO2 verarbeite­n. Rechts: Evercraft-Geschäftsf­ührer Mario Wagner
KOLARIK (2), BIOG Die an die Biogaserze­ugung angeschlos­sene Anlage (links) kann täglich 300 Kilo CO2 verarbeite­n. Rechts: Evercraft-Geschäftsf­ührer Mario Wagner
 ?? JKU ??
JKU

Newspapers in German

Newspapers from Austria